Wien – Am Sonntag startet die größte Impfaktion der österreichischen Geschichte. Um 9 Uhr werden zunächst drei Frauen und zwei Männer über 80 Jahre die ersten sein, die in Österreich gegen das Coronavirus geimpft werden. Den Risikopatienten wird an der MedUni Wien die erste von zwei Impfdosen verabreicht. "Mit der Impfung ist der Anfang für den Sieg gegen die Pandemie eingeleitet", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Alle Bundesländer sollen zeitgleich Impfdosen erhalten.

Durchgeführt werden die ersten Injektionen von Ursula Wiedermann-Schmidt, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie und Vorsitzende der österreichischen Impfkommission, sowie dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres. Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) werden ebenfalls anwesend sein.

Fünf Risikopatienten

In der MedUni gibt es eine Spezialambulanz für Risikopatienten. Dort hätten sich die fünf Probanden freiwillig gemeldet, erläuterte Wiedermann-Schmidt. Sie alle haben Vorerkrankungen. Der älteste ist 93 Jahre alt. Ein gewisser Schutzeffekt soll laut Hersteller schon sieben Tage nach der ersten Teilimpfung gegeben sein. Zahlreiche weitere Patienten hätten sich ebenso bereits auf eine Liste für die Impfung eintragen lassen.

Die Covid-Station in der Klinik Favoriten wird in Wien dann am Sonntag in den Mittagsstunden die nächste Station sein. Laut Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wird Christoph Wenisch, der Leiter der Infektionsabteilung, dort als Erster das Mittel verabreicht bekommen. Bis auf Burgenland und Kärnten wollen auch die anderen Bundesländer am Sonntag die ersten Menschen immunisieren. Österreich startet mit der Immunisierung zeitgleich mit der EU.

In Ultrakühlschränken gelagert

Die ersten rund 10.000 Dosen des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer waren am Samstag in Wien angekommen. Ein Kühl-Lkw mit großer Infrastruktur im Inneren, eskortiert von Polizeifahrzeugen, lieferte das kostbare Gut am Stefanitag ab, hieß es aus dem Innenministerium. Gestartet war der Transport im belgischen Puurs, um zwei Uhr nahmen ihn Einheiten der Landesverkehrsabteilungen Wien und Oberösterreich am Grenzübergang Suben (Bezirk Schärding) entgegen.

Die lang ersehnte Ware wurde dann anschließend in der Vertriebsniederlassung der Herba Chemosan Apotheker AG in Simmering in Empfang genommen. Vom Lager des Großhändlers aus werden die rund 10.000 Portionen in ganz Österreich verteilt. Ab Montag werden weitere Lieferungen in Österreich erwartet, eine größere am Silvestertag.

Der Impfstoff, auf den alle gewartet haben, ruht vorerst in einigen wenigen Kühlschränken in der riesigen Lager- und Logistikhalle des Pharmagroßhändlers. Wobei die Bezeichnung Ultrafreezer die Situation besser beschreibt. Denn die exakt 9.750 Impfdosen werden bei minus 74 Grad Celsius aufbewahrt. Angeliefert wurden sie in zwei Behältern. Sprich: Die Menge allein ist eher nicht außergewöhnlich. Man verteile alljährlich Millionen Impfstoffe, betonte man im Unternehmen.

Habemus Impfstoff.
Foto: APA/HANS PUNZ

Wie Vorstandschef Andreas Windischbauer ausführte, wird auch nur die erste Tranche zur Gänze in Simmering deponiert. Alle weiteren Lieferungen werden auf insgesamt 17 Niederlassungen in ganz Österreich aufgeteilt. Eine Phiole reicht laut Windischbauer für fünf Impfungen. Ärzte erhalten zu den Vakzinen auch Sets mit Spritzen. Wenn der Impfstoff beim Endverbraucher ankommt, ist er jedoch nicht mehr so kalt wie im Lager. Zwischen plus zwei und acht Grad Celsius soll er dann haben.

Bundesheer hilft bei Verteilung

Die erste Lieferung ist für die am Sonntag startenden Impfungen gedacht, wobei in Wien und Niederösterreich Herba Chemosan selbst ausliefert. Die Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark und möglicherweise auch Kärnten werden vom Bundesheer versorgt, wie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erläuterte. Statt Hubschrauber kommen aus Kostengründen Fahrzeuge zum Einsatz. Laut Windischbauer ist jedenfalls die Zuteilung von 4.000 Dosen bereits genau fixiert. Wien wird 2.000 erhalten, wie Bürgermeister Ludwig ausführte.

Von links nach rechts: Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Andreas Windischbauer, Herba-Chemosan-Chef und Präsident der Branchenvertretung Phago, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Pfizer-Austria-Chef Robin Rumler.
Foto: APA/HANS PUNZ

Der Geschäftsführer von Pfizer-Österreich, Robin Rumler, skizzierte beim Besuch der Politik am Stefanitag noch einmal den Weg bis zur Zulassung des Wirkstoffes und versicherte, dass kein Grund für Skepsis bestehe. Im ersten Quartal würden noch 900.000 Dosen nach Österreich gebracht werden. Insgesamt sollen es in den kommenden Monaten 3,5 Millionen sein, sagte Rumler.

Tanner: "Geschichtsträchtiger Tag"

"Es ist heute ein geschichtsträchtiger Tag", freute sich Verteidigungsministerin Tanner. Am Samstag und Sonntag werde Geschichte geschrieben. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einem "schönen Weihnachtsgeschenk" und versprach, sich – sobald ihre Zielgruppe an die Reihe komme – impfen zu lassen. Zunächst wird der Impfstoff vor allem an Pflegeheime und zu Gesundheitseinrichtungen geliefert.

Ultrakühlschränke.
Foto: APA/HANS PUNZ

Aufruf zum Impfen

Bundeskanzler Kurz appellierte einmal mehr, die Impfung in Anspruch zu nehmen. Es müsse zwar jeder für sich entscheiden, er wolle sich aber ganz bestimmt impfen lassen, sagte er im Interview mit dem ORF. Hier werden auch die Statistiken helfen, zeigte sich der Kanzler überzeugt. Denn gerade ältere Menschen könnten sich "ganz genau anschauen", wie hoch die Gefahr im Fall einer Ansteckung sei, ins Spital oder gar auf eine Intensivstation zu kommen.

Auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sieht nach den vergangenen Monaten, die "für alle sehr herausfordernd waren", die Impfungen als "große Chance, uns das normale Leben zurückzuholen". Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto besser werde das gelingen, sagt die SPÖ-Chefin in einem Video auf ihrer Facebook-Seite.

EU-weite Lieferungen

Für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden die Impfungen dabei helfen, "nach und nach zu unserem normalen Leben zurückzukehren", sagte sie in einem auf Twitter veröffentlichten Video. Sobald genügend Menschen geimpft worden seien, könne man wieder beginnen zu reisen, Freunde und Familie zu treffen und die Feiertage normal zu verbringen. "Aber bis dahin müssen wir weiter vorsichtig sein."

"Heute ist Liefertag", sagte von der Leyen am Samstag. "Und morgen beginnen die Impfungen gegen Covid-19 in der Europäischen Union." Nach ihren Angaben steht der Impfstoff zeitgleich in allen 27 EU-Staaten zur Verfügung.

101-Jährige in Deutschland geimpft

In Deutschland kam die erste Lieferung ebenfalls am Samstag an. Laut mehreren Medienberichten wurde damit eine 101-jährige Heimbewohnerin aus Halberstadt in Sachsen-Anhalt als erster Mensch in Deutschland gegen das Coronavirus geimpft. Der offizielle Start der Impfkampagne ist erst am Sonntag. Bis dahin lässt der Bund mehrere Zehntausend Dosen der Firma Biontech an insgesamt 27 Standorte liefern. Von dort sollten sie an Impfzentren und mobile Teams verteilt werden.

Auch in anderen europäischen Ländern erreichten die Dosen ihr Ziel. In Italien wurde der Impfstoff unter Militärgeleit in die Hauptstadt gebracht. Der Transporter sei am späten Freitagabend in einer Kaserne der Carabinieri im Norden Roms angekommen, bestätigte das Verteidigungsministerium.

Auch in den Niederlanden, Polen, Tschechien, Frankreich und Griechenland trafen die ersten Impfstoff-Transporte ein. (APA, red, 26.12.2020)