Der türkische Oppositionspolitiker Selahattin Demirtaş bleibt in Haft.

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Istanbul/Ankara/Straßburg – Ein Gericht in der türkischen Hauptstadt Ankara hat einen Antrag des Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş zurückgewiesen, ihn nach vier Jahren Untersuchungshaft auf freien Fuß zu setzen. Damit missachtete das Gericht am Samstag eine Anordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der am Dienstag die sofortige Freilassung des früheren Chefs der prokurdischen Oppositionspartei HDP gefordert hatte.

Sprachbarrieren

Zur Begründung teilten die türkischen Richter laut der Nachrichtenagentur Anadolu mit, ihnen liege noch keine Übersetzung des EGMR-Spruchs vor. Demirtaş sitzt seit 2016 hinter Gittern, ihm werden terroristische Aktivitäten zur Last gelegt.

Am Mittwoch hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Urteil des EGMR scharf gerügt. Dass das Gericht die Freilassung einer Person anordne, die eine Terrororganisation unterstütze, zeuge von "Doppelmoral und Scheinheiligkeit". Die Entscheidung sei politisch motiviert. Das Gericht stelle sich damit hinter einen Terroristen.

Proteste 2014

Hintergrund der Anschuldigungen sind unter anderem Proteste des Jahres 2014, zu denen die HDP aufgerufen hatte. Sie richteten sich gegen die Belagerung der syrisch-kurdischen Stadt Kobanê durch die Terrormiliz IS. Die Proteste schlugen in Gewalt um, nach offiziellen Angaben wurden 39 Menschen getötet. Erdoğan hält die legale Partei HDP für den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die HDP weist das zurück.

Die Türkei als Mitglied des Europarats muss Urteile des EGMR umsetzen. (APAm dpa, 26.12.2020)