Im Gastkommentar führt der Jurist und Ökonom Erhard Fürst fünf Bemerkungen an, um Ulrich Brand und Heinz Högelsberger zu widersprechen, was eine Fusion von ÖBB und AUA angeht.

Zur Erinnerung: Die beiden Gastkommentarautoren Ulrich Brand und Heinz Högelsberger wollen ÖBB und AUA fusionieren, um der Politik die Möglichkeit zu eröffnen, das neue Unternehmen (nennen wir es ÖBBAUA) zu einem "umfassenden Mobilitätsdienstleister" zu entwickeln. "Der Kunde bucht nicht mehr den Flug, sondern eine Reise. ÖBBAUA hätte die Aufgabe, den Kunden von A nach B zu bringen, und zwar inklusive der sogenannten ersten und letzten Meile". Im Klartext: von Haus zu Haus. Übergeordnetes Ziel: Österreich zu einem klimapolitischen Vorreiter zu machen. Warum ist ein solches Projekt irreal und aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen? Dazu fünf kurze Bemerkungen.

Erstens: ÖBBAUA wäre ein Staatsunternehmen, und der Staat ist in der Regel ein schlechter Unternehmer. Die Geschichte der ÖBB selbst ist ein eher abschreckendes Beispiel negativer politischer Einflussnahme trotz vieler guter Manager an der Spitze. Nun soll sich dieses Unternehmen auch noch im internationalen Flugverkehr und unter besonders widrigen Umständen engagieren und sich als Zwerg im internationalen Wettbewerb erfolgreich schlagen. Im Übrigen ist keineswegs ausgemacht, dass die Lufthansa die AUA mit ihren interessanten Landerechten und der hohen Osteuropakompetenz so einfach verkauft.

Grob EU-widrig

Zweitens: Wenn das Unternehmen wirklich die Reise von Tür zu Tür organisieren soll, dann würde sie natürlich auch das Mietwagengeschäft betreiben und sich wieder stärker im Busgeschäft engagieren. Kurz, ÖBBAUA würde einen monopolartigen, alles dominierenden österreichischen Reise- und Transportkonzern im öffentlichen Eigentum darstellen. Ähnliche Konstrukte sind aus zentralgeplanten kommunistischen Staaten in Erinnerung. Um die AUA vor Konkurrenz zu schützen, sollen Wien und Niederösterreich einfach dem börsennotierten Flughafen Schwechat eine völlig neue Geschäftspolitik aufzwingen. Weiters soll eine entsprechend hohe Ticketabgabe verhindern, dass andere Fluglinien den Kurzstreckenmarkt von Österreich aus bedienen. Das alles ist grob EU-widrig und wettbewerbsrechtlich unzulässig. Ein Blick über den Tellerrand wäre hilfreich.

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Ein Mobilitätsdienstleister von Haus zu Haus – das wäre ein monopolartiger Konzern.
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Drittens: Weitergedacht greift der Vorschlag massiv in die Freiheitsrechte der Bürger ein. Ein Flug von Wien nach Berlin zum Beispiel wäre verboten. ÖBBAUA wäre zu informieren, wann man – ob einfacher Bürger oder Bundespräsident – in Berlin sein will und bekommt vom nationalen Zentralreisebüro Österreichs ÖBBAUA eine Abholfazilität, einen bestimmten Zug, wenn notwendig eine Übernachtung in einem Hotel und eine Fahrt vom Bestimmungsbahnhof Berlin an den eigentlichen Zielort zugewiesen. Umgehungen, wie eine Buchung der Reise Wien–Berlin mit Lufthansa, wäre natürlich verboten. Zumindest bis der EuGH einschreitet.

Neue Technologien

Viertens: Besonders befremdlich ist, dass die Autoren keinen Funken eines Gedankens an die Möglichkeiten neuer Technologien verschwenden. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie rasch solche, in diesem Fall in der Impftechnik, von der Wissenschaft angeboten werden können. Vielleicht stehen schon in einigen Jahren synthetische, auf Basis erneuerbarer Energien hergestellte Flugzeugtreibstoffe zur Verfügung.

Fünftens: Wie erklärt sich die Zwangsvorstellung, Österreich müsse zu einem klimapolitischen Vorreiter hochgepuscht werden? Der aktuelle Beitrag der EU zum jährlichen globalen CO2-Ausstoß macht nicht einmal zehn Prozent aus. Österreichs Anteil liegt auf der zweiten Kommastelle hinter der Null. Die EU hat sich mit dem Green Deal zu einem im internationalen Vergleich anspruchsvollen Klimazielebündel verpflichtet, das sogar noch verschärft werden soll. Österreich sollte seine Kräfte und Stärken mit anderen Ländern bündeln, um kreative Modelle und Technologien zur Bekämpfung der Treibhausgasemissionen zu entwickeln und die Erzeugung grünen Stroms voranzutreiben, statt etatistischen Machtfantasien zu frönen.

Leider fördern die Corona-bedingten massiven Eingriffe der Politik in Wirtschaft und Gesellschaft die Vorstellung, dies könne so weitergehen, um auch unsere anderen Probleme zu lösen, angefangen vom Klima bis zu Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, Umverteilung, Reform der Sozialsysteme, Bildungsreform. Und das an Europa und dem globalen Umfeld vorbei. (28.12.2020)