Elyas M'Barek und Lavinia Wilson beziehen ein Ferienhaus auf Sardinien.

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Alice und Niklas bauen ein Haus, in dem sie einmal als Familie leben wollen. Aber sie bekommen kein Kind. Der vierte Versuch mit einer Hormonbehandlung führt zu einem vier Millimeter großen Embryo, dessen Herz nicht schlägt. Eine Ausschabung wird nicht notwendig sein. Ein Urlaub wäre zu empfehlen. Alice und Niklas fahren also nach Sardinien, wo sie ein Ferienhaus beziehen, in dem die Nachbarn noch ein bisschen näher sind als in der Neubausiedlung, in der sie ihre Zukunft verbringen wollen. Es ist quasi unmöglich, nicht mit Christl und Romed, deren 13-jährigem Sohn David und dessen kleinerer Schwester Denise aus Tirol in Kontakt zu treten.

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Alice und Niklas sind das Paar in dem Film Was wir wollten von Ulrike Kofler. Zuvor waren sie ein Paar in der Erzählung Der Lauf der Dinge von Peter Stamm, da hieß Niklas noch Niklaus, und Details wie das von dem toten Embryo kommen nicht vor, dafür aber viele andere. Kofler hat gemeinsam mit Sandra Bohle und Marie Kreutzer an der Geschichte gearbeitet, andere Akzente gesetzt, aber von Stamm den Gestus übernommen, mit dem der sehr erfolgreiche Schweizer Erzähler arbeitet: den einer lakonischen Beobachtung, die eine besondere Form von Identifikation ermöglicht. Man fühlt sich manchmal beinahe ertappt von den Figuren, allerdings sind es selten wirklich persönliche Dinge. Man fühlt sich ertappt beim eigenen Typischsein.

Differenzen erforschen

Alice und Niklas sind ein modernes Paar, gleichberechtigt, aber natürlich als Individuen auch wieder endlos weit voneinander entfernt, zugleich beseelt von dem Wunsch, diese Distanz im Alltag nicht erkennbar werden zu lassen. Ulrike Kofler hat zwei deutsche Stars für die Hauptrollen gewonnen: Lavinia Wilson und Elyas M'Barek. Wilson hat eindeutig die interessantere Figur, doch ist es ein wenig unklar, ob Niklas deswegen eher vage bleibt, weil ihn das Drehbuch ein bisschen im Stich lässt, oder ob M'Barek sich einfach schwerer tut mit einer Figur, die er erst aus der ein wenig planen Attraktivität befreien muss, die er als Schauspieler mitbringt.

Was wir wollten ist eher ein Frauenfilm als ein Paarfilm, auch wenn in der Lebensform Paar das Grundprinzip der Erzählung liegt: Menschen bilden Paare und organisieren ihr Dasein dann so, dass sie in Situationen des Vergleichs leben. Christl und Romed sind hierbei so etwas wie Reaktanten in einer Laborsituation. Der Prozess, durch den Alice und Niklas müssen, um eine Reaktion auszubilden, ist der Urlaub. Das war so schon ganz ähnlich in Alle anderen von Maren Ade, dem mustergültigen Beispiel für ein Genre, das man als Erforschung minimaler Differenzen bestimmen könnte: Menschen in den Wohlstandsgesellschaften sind immer etwas Besonderes, aber selten so, dass sie nicht mit Ähnlichkeiten hadern würden. Und wenn dann das Schicksal zuschlägt, tut es das wie nebenbei.

Was wir wollten – für Österreich im Rennen um den Auslandsoscar – sollte eigentlich im Kino starten, fiel dann aber dem Lockdown zum Opfer. Nun läuft er auf Netflix. Das passt irgendwie zu diesem Film, dessen Publikum man sich so gut vorstellen kann, weil Alice und Niklas, Christl und Romed eben sind wie Nachbarn, nur ein Klick-Fenster entfernt. (Bert Rebhandl, 28.12.2020)