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Auch ums Spaziergehen muss sich einer kümmern: US-Präsident Donald Trump (li.).

Foto: REUTERS/Jonathan Ernst/File Photo

Schlanke 5.593 Seiten hat der Text, der – zumindest wahrscheinlich – am Wochenende auf einem Schreibtisch im Golf-Resort von US-Präsident Donald Trump lag, während der scheidende Staatschef sich beim Golfspielen erholte. Ob Trump das Gesetz, das die Verlängerung staatlicher Corona-Hilfen vorsieht, gelesen hat, ist nicht bekannt. Aber sicher ist: Er hält es für "eine Schande" und möchte es nicht unterzeichnen.

Dass der über Monate mühsam zwischen Trumps Finanzminister Steven Mnuchin, den Republikanern im Kongress und den Demokraten im Repräsentantenhaus ausgehandelte Kompromiss nun nicht wie geplant über Weihnachten in Kraft getreten ist, hat für viele US-Amerikanerinnen und -Amerikaner bleibende Folgen: Ihnen geht mit dem Ausbleiben der Zahlungen, die Ende des Monats fällig sind, das Geld aus. Auch wenn sich die Parteien in Washington später noch mit dem Präsidenten einigen könnten: Bis dahin ist die Kreditwürdigkeit in zahlreichen Fällen schon verloren, Unternehmen sind bereits pleite und Perspektiven schon zerstört. Auch Obdachlosigkeit droht: Ein landesweites Delogierungsmoratorium endet ersatzlos am 31. Dezember.

Verbrannte Erde

Dabei ist es, zumindest nach den Worten des Präsidenten, gerade die Sorge um das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Landsleute, die ihn an der Unterschrift hinderte. Nicht, so wie im Gesetz vorgesehen, nur 600 US-Dollar an Direkthilfen sollen überwiesen werden, so Trump, sondern 2.000. Darauf hätte man sich womöglich auch einigen können, hätte der Präsident dieses Begehr bereits vor einigen Wochen öffentlich gemacht und nicht erst – überraschend – in einer via Twitter verbreiteten Rede am Tag vor Weihnachten. Denn zumindest die Demokraten sind ohnehin von jeher für eine Erhöhung dieses Beitrags. Nun aber scheint, in der Kürze der Zeit, die Lage verfahren. Die Republikaner im Kongress wollen dem Vorschlag ihres Präsidenten nicht zustimmen, die Demokraten nicht gegen ihren eigenen Vorschlag für höhere Direktzahlungen stimmen.

Und so zerfällt das Hilfspaket weiter. Am Sonntag mit den ersten greifbaren Folgen: Da liefen Arbeitslosenhilfen aus, auf deren Auszahlung Millionen Menschen in den USA angewiesen sind. Der zum Nachfolger Trumps gewählte Demokrat Joe Biden, der am 20. Jänner sein Amt antreten wird, warnte deshalb bereits vor "verheerenden Folgen" der Entscheidung und warf dem Präsidenten Tatenlosigkeit vor.

Kaum mehr Gestaltendes

Das freilich mag Teil des Trump’schen Plans sein. Seit Wochen ist er abseits von Tweets, in denen er die Rechtmäßigkeit seiner Wahlniederlage abstreitet, nicht mehr gestalterisch tätig. Für Biden wird das wirtschaftliche und epidemiologische Loch, aus dem er die USA führen muss, damit immer tiefer. Kurzum: Trump erschwert seinem Nachfolger eine erfolgreiche Präsidentschaft – und genau das, so Gegner, könnte die Motivation hinter dem erratischen Handeln sein.

Allerdings: Auch die Republikaner könnten an dieser Taktik Schaden nehmen. Immer noch läuft nämlich im Bundesstaat Georgia der Kampf um die beiden noch offenen Senatssitze. Die Stichwahl zwischen zwei republikanischen Amtsinhabern, David Perdue und Kelly Loeffler, und ihren beiden demokratischen Herausforderern Jon Ossoff und Raphael Warnock wird sich am 5. Jänner entscheiden. Umfragen sehen ein hauchdünnes Rennen, das auch über Georgia hinaus viel Spannung verspricht: Derzeit halten die Republikaner 50 Sitze, die Demokraten 48. Bei einem Sieg der Demokraten stünde es 50:50. Die bei Gleichstand entscheidende Stimme der Vizepräsidentin Kamala Harris würde dann für demokratische Mehrheiten sorgen. Loeffler wie auch Perdue hatten sich für jenes Hilfspaket ausgesprochen, das Trump ablehnt. (Manuel Escher, 27.12.2020)