Ob schön oder schiach, ist ihr egal: Beschorner liebt ihre "Puppas".

Wien-Museum Musa

Das eigentliche Kunstwerk ist gar nicht hier. Niemals würde es in einen Ausstellungsraum passen, da es sich um ein ganzes Wohnhaus handelt. Seit ihrem 15. Lebensjahr wohnt die 1927 geborene Künstlerin Lieselott Beschorner am Rande Wiens und bestückt unermüdlich Haus und Garten: Gefundenes, Gesammeltes vereint sich mit ihren künstlerischen Arbeiten zu einem umfassenden Gesamtkunstwerk.

Einen Einblick in das unermüdliche Schaffen Beschorners bekommt man nun in der Landesgalerie Niederösterreich in Krems, die ihr mit 100 Werken aller Perioden eine lang ausstehende Retrospektive widmet. Hier machte das Wien-Museum Musa, aus dessen Sammlung auch die meisten der Werke stammen, 2011 den ersten Schritt, davor war es lange still um Beschorner.

Frühe Avantgardin

Dabei studierte sie ab 1945 an der Wiener Akademie der bildenden Künste in der Malerei-Klasse von Robin Christian Andersen und wurde 1951 als eine der ersten Frauen Mitglied der Wiener Secession. In den folgenden Jahrzehnten stellte sie regelmäßig aus, ab den 1980er-Jahren flaute das Interesse ab.

Mit ein Grund dafür war, dass das Werk der Künstlerin nie deutlich eingeordnet werden konnte, erklärt Direktor Christian Bauer, der die Schau mit Kurator Berthold Ecker – und in enger Absprache mit der Künstlerin – konzipiert hat. Diese mangelnde Zugehörigkeit veranschaulicht ein Beispiel in der Ausstellung: In einem Kurzfilm der Filmemacherin Christiana Perschon sind Szenen zu sehen, die Beschorner bei der Arbeit in ihrem Haus zeigen.

Eigentlich wären diese gemeinsam mit jenen anderer österreichischer Künstlerinnen der feministischen Avantgarde wie Margot Pilz, Renate Bertlmann oder Karin Mack in einer Dokumentation zu sehen gewesen. Letztlich schafften es Beschorners Sequenzen aber nicht in den Film – ihre feministische Botschaft war zu zurückhaltend, zu anders. Für sie stand das Geschlecht nie im Vordergrund.

Alle Stile, alle Techniken

Auch die Person Beschorner bleibt schwer lesbar: Ein Selbstporträt zeigt sie als skeptische, ernste junge Frau. In der Kunstszene bewegte sie sich immer nur am Rand, wollte auch nicht unbedingt dazugehören, irgendwann zog sie sich ganz in ihr Haus – ihre eigene Welt – zurück. Dort schuf sie die Bandbreite an Kunstwerken, die die Ausstellung anhand von Werkserien veranschaulicht: Ölbilder, Sekundenzeichnungen, karikatureske "Keramikköpfe", collagehafte "Groteskerien" sowie abstrakte Landschaften aus Löschpapier oder Nylonstrümpfen.

Eine ihrer zentralsten Werkgruppen stellen aber ihre "Puppas" dar, die ab den 1970er-Jahren entstanden. Es sind selbstgenähte Puppen aus Wolle, Stoffresten und Perlen, die ans Grotesken- und Fratzenhafte grenzen. Jede ist ein Unikat, manche tragen Namen, alles sind Frauen. Beschorner fertigte über 50 von ihnen an und lebt mit ihnen in ihrem Haus. "Die Puppen – das sind meine Kinder", erklärt die Künstlerin. "Mir ist egal, ob schön oder schiach." Sie sind beseeltes Objekt und fetischhafte Skulptur zugleich.

Ausdruck des Inneren

Beschorners Werke sind untrennbar mit ihrer Persönlichkeit verbunden. Weder Stil noch Konzept oder Trend verfolgte sie – alles war stets Ausdruck ihres Innersten. Doch an ihrem umfangreichen Œuvre lässt sich auch erkennen, dass sich die Künstlerin dabei nie beirren ließ, sie zelebrierte ihre Andersartigkeit. Heute würde man sagen, Beschorner zog einfach ihr Ding durch. Und das mit Humor und Ironie. Bester Beweise dafür ist die räumliche Abtrennung am Ende der Ausstellung, die zur Kunstbedürfnisanstalt – so auch der Titel der Schau – führt und an alte öffentliche Wiener Toilettenanlagen erinnern soll. Dahinter wartet das nächste Schaffenskapitel. (Katharina Rustler, 29.12.2020)