Briseida Iglesias ist 1,50 Meter klein, 59 Jahre alt, zartgliedrig – und in der Modewelt gefürchtet. Schon die Erscheinung der Kuna-Frau aus Panama ist ein Hingucker: Stets kleidet sie sich in die traditionellen Blusen und Röcke aus farbenfrohen Motivbildern ihrer Ethnie, Mola genannt. Hand- und Fußgelenke zieren lange Reihen von bunten Perlen.

Doch weniger ihr Äußeres hat sie bekannt gemacht als ihr unerbittlicher Kampf für die Urheberrechte an ihrer Handwerkskunst. Denn die Kuna sind ein autonomes Volk, verwaltet von einem eigenen Kongress, und Mola ist eine registrierte Marke.

Trümpfe ausspielen

Rund 50.000 Kuna leben auf dem Inselarchipel San Blas zwischen Panama und Kolumbien, hauptsächlich vom Fisch- und Langustenfang, vom Tourismus und vom Verkauf ihrer Handwerkskunst. "Mehr haben wir nicht, deshalb müssen wir unsere Trümpfe gut ausspielen und dürfen uns dabei nicht über den Tisch ziehen lassen", betont Atilio Martinez, Lehrer und selbst Kuna.

Die traditionelle Kleidung der Kuna ist farbenfroh.
AFP/Luis Acosta

Den Kampfgeist der Kuna sollte man nicht unterschätzen. In Costa Rica ließ die umtriebige Iglesias eine ganze Ladung voller Mola beschlagnahmen, weil die ohne Erlaubnis ihres Kongresses außer Landes geschmuggelt worden und dort mit dem Etikett "made in Costa Rica" versehen worden war.

"Den Zöllnern habe ich die Leviten gelesen", erinnert sich die zierliche Dame mit einem spitzbübischen Lächeln. "Inzwischen kennen sie mich und verlangen von jedem Händler, der Mola über die Grenze bringt, eine Genehmigung des Kuna-Kongresses."

Panamaische Folklore

Eine weitere Kontrahentin ist die französische Modemacherin Helene Breebart: 1,72 Meter groß, schlank, blond, ehemalige Vertreterin von Dior, aufgewachsen auf einem Landsitz außerhalb von Paris und seit den 70er-Jahren in Panama ansässig. "Ich nutze zwar die Technik übereinanderliegender Stoffe wie die Mola, aber mit eigenem Design", beteuert die 76-Jährige und nippt an einem eigenhändig gemixten Rum mit flambierter Ananas – ihrem Markenzeichen. Original Molas für Kragen oder Knopfleisten kaufe sie als Einzelstücke von den Kuna an, und sie habe sogar schon Kuna-Models zu einer Modeschau bei der Uno in New York mitgenommen, erzählt Breebart, die sich als Botschafterin der panamaischen Folklore versteht.

Die folkloristischen Motive kommen auch in der Welt der Großkonzerne an.
Foto: Imago

Bei ihrem Streit mit Iglesias geht es weniger um die Designs als um Arbeitsrechte: In ihrer kleinen Nähwerkstatt, in der einige Kuna arbeiten, wird nur maßgeschneiderte Mode gefertigt – die billigsten Blusen beginnen bei 250 US-Dollar. "Den Näherinnen zahlt sie fünf US-Dollar pro Stunde oder beauftragt sie nur zeitweise, damit keine Sozialabgaben fällig werden", schimpft Iglesias. Das sei alles rechtens und längst geregelt, entgegnet Breebart.

Mächtige Gegner

Auch vor mächtigen Gegnern schreckt Iglesias nicht zurück. Nike zum Beispiel. Der US-Sportartikelhersteller hatte sich für eine Sonderedition des Modells Air Force 1 von den indigenen Designs inspirieren lassen. Als Iglesias davon Wind bekam und den Kuna-Kongress alarmierte, nahm man den Protest in Oregon am Sitz von Nike zunächst nicht besonders ernst. Auf den Vorschlag der Kuna, einen finanziellen Ausgleich, wollte sich die Firma nicht einlassen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Stattdessen gab es eine offizielle Entschuldigung, und die Kollektion wurde vom Markt genommen.

Mit Briseida Iglesias ist nicht gut Kirschen essen, wenn es um die Rechte an der Handwerkskunst geht.
AFP/Luis Acosta

Der Kampf der Kuna hat Schule gemacht. Inzwischen machen sich immer mehr Regierungen dieses Anliegen der indigenen Völker zu eigen. So hat die panamaische Regierung bei der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) den Status eines immateriellen Weltkulturerbes für die Mola beantragt.

Das mexikanische Kulturministerium klagte kürzlich wegen Plagiats die Modeschöpferin Carolina Herrera. Deren Kollektion "Resort 2020" ist von Designs der mexikanischen Huicholen inspiriert.

Proteststurm

Michael Kors handelte sich 2018 einen Proteststurm in sozialen Medien ein wegen eines Kapuzenpullis, der in Material und Design an südamerikanische Ponchos erinnerte. Spott ergoss sich vor kurzem über das spanische Modelabel Zara. Es bietet in der jüngsten Kollektion eine gestreifte, robuste Kunststoff-Einkaufstasche für 25 Euro an. Ganz ähnliche Versionen gibt es seit Jahrzehnten auf Mexikos Großmärkten – für ein Zehntel des Preises.

Juristisch sind die Fälle jedoch komplex, die Grenze zwischen Inspiration und Plagiat ist fließend. So ist die Mola nach Auffassung einiger Anthropologen ebenfalls ein interkulturelles Produkt und geht auf Techniken der spanischen Nonnen zurück, die mit der Kolonialisierung nach Amerika kamen. Ähnlich verhält es sich mit manchem mexikanischen Kunsthandwerk, etwa der blau-weißen Talavera-Keramik oder Stickereien.

Eigene Ideen

"Folklore wird erst dann zur Haute Couture, wenn ein Außenstehender sie mit eigenen Ideen verändert und modernisiert", findet Breebart. "Als ich nach Panama kam, wäre keine Frau der Elite auf die Idee gekommen, Mola zu tragen", erinnert sie sich. Heute posieren Präsidentengattinnen, Minister und sogar die ehemalige US-First-Lady Rosalynn Carter mit folkloristisch angehauchten Stücken von Breebart.

"Ich habe gar nichts dagegen, dass unsere Mola die Welt erobert, im Gegenteil, darauf bin ich stolz", betont Kuna-Frau Iglesias. "Aber wir wollen dafür gerecht bezahlt werden." (Sandra Weiss, 29.12.2020)