Vor allem der Austausch medizinischer Präparate und Geräte lief im abgelaufenen Corona-Jahr auf Hochtouren.

Foto: UTLC ERA

Es war kein gutes Jahr: weder für das europäisch-russische Verhältnis noch für die russische Wirtschaft. Die Spannungen zwischen der EU und Russland sind durch eine Reihe von Skandalen deutlich gestiegen. Zwischen Paris und Moskau knirscht es nach Äußerungen Emmanuel Macrons zum Islam, die insbesondere dem einflussreichen Oberhaupt Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, sauer aufstießen, oder zuvor zur russischen Geschichtsklitterung.

Die ebenfalls einst guten Beziehungen Moskaus zu Berlin haben noch mehr gelitten: Der Prozess um den Tiergarten-Mord, der Bundestag-Hack, die Nawalny-Affäre und die damit einhergehenden Drohungen neuer Sanktionen haben das politische Klima völlig vergiftet.

Selbst zu Österreich ist das Verhältnis seit dem Tschetschenenmord in Wien und die Ausweisung eines russischen Diplomaten wegen Industriespionage abgekühlt. Die Ausweisung empfand Moskau als Dreistigkeit und beantwortete sie spiegelgleich.

Wirtschaftlich hat die Pandemie in Russland wegen der geringeren Verflechtung des Landes in die Weltwirtschaft weniger Spuren hinterlassen als andernorts. Trotzdem bezifferte Wladimir Putin bei der jüngsten Jahrespressekonferenz das erwartete Minus beim Bruttoinlandsprodukt auf 3,6 Prozent und bei den Realeinkommen und der Industrieproduktion auf jeweils drei Prozent.

Transit boomt

Aber es gibt auch Segmente, die trotz aller Schwierigkeiten auf Wachstumskurs sind und wo auch die zwischenstaatliche Kooperation weiter funktioniert. So konnte Russland vom Europa-Asien-Verkehr profitieren. Vor allen Dingen der Transit von Containergütern boomt.

Der gemeinsame Containerbetreiber der russischen, weißrussischen und kasachischen Bahnen, UTLC Era (United Transport and Logistics Company – Eurasian Rail Alliance), meldet einen Rekord für das laufende Jahr. Nach Angaben des Unternehmens wurden bis 22. Dezember 530.000 Standardcontainer (TEU) verladen, während es 2019 gerade einmal 333.000 TEU waren.

"Die Pandemie hat unser Geschäftsmodell in diesem Jahr gleich mehrmals auf den Kopf gestellt", sagte der Generaldirektor von UTLC Era Alexej Grom dem Standard. War zu Jahresbeginn der Transport aus China paralysiert, fiel kurz darauf der Verkehr in die Gegenrichtung aus. Und doch haben die steigenden Containermengen die kurzen Pausen mehr als ausgeglichen. Gerade der Austausch medizinischer Präparate und Geräte lief auf Hochtouren.

Preislich könne der Schienenverkehr inzwischen mit den Seetransporten konkurrieren, dabei nehme der Landweg durch Russland nur ein Drittel der Zeit in Anspruch, die Schiffe über den Suezkanal von Europa nach Asien unterwegs seien, erklärt Grom. Tatsächlich haben viele Unternehmer in Europa zuletzt die steigenden Frachtraten der Reedereien wegen Kapazitätsengpässen schockiert. Grom hofft so, in absehbarer Zeit, den Umschlag auf eine Million Container zu erhöhen.

Zum Vergleich: Insgesamt beläuft sich der Container-Umsatz im Europa-Asien-Verkehr auf 23 Millionen TEU. Die Schiene spielt damit weiterhin nur eine Nebenrolle, aber sie holt auf, denn nicht nur UTLC Era meldet unter den Containerbetreibern Zuwächse. Die russische Staatsbahn RZD erwägt gar, nach der Privatisierung ihrer Tochter Transcontainer 2019 wegen der guten Konjunktur eine neue Containertochter zu gründen, die sich auf Transporte zwischen Europa und China, Korea und Japan fokussiert.

Sanktionen aufgeweicht

Zum guten Geschäft beigetragen hat auch eine politische Geste der russischen Führung. Denn aller antiwestlichen Rhetorik zum Trotz hat die Regierung pragmatisch schon im vergangenen Jahr die Sanktionsregeln etwas gelockert.

Die ersten Ergebnisse zeigten sich 2020: So ließ der russische Zoll Lebensmittel aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich für ein Gastrofestival in Peking im Oktober passieren. Die Einfuhr europäischer Lebensmittel nach Russland ist verboten, der Transit aber nun nicht mehr.

Zwei volle Containerzüge konnten so in den letzten Monaten beladen werden. Ein Geschäft mit Perspektive, denn in China ist die Nachfrage nach hochwertigen europäischen Nahrungsmitteln groß. In den letzten Jahren allerdings waren die Sanktionen ein ernstes Hindernis. Die direkte Route war versperrt, Umwege an Russland vorbei, sei es auf der Schiene oder dem noch längeren Seeweg brachten Kosten und das Risiko, das Waren verdarben.

Von der Regelung, die Züge an der Grenze zu plombieren und dann durchfahren zu lassen, dürften künftig neben den russischen Spediteuren also vor allem auch Mittelständler aus Europa profitieren. (André Ballin, 29.12.2020)