Themen der sozialen Umverteilung machen der Bevölkerung mehr Sorgen als das höchstpersönliche Wohlergehen.

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Linz – Dass der Klimawandel an der Jahreswende 2020/21 nicht an erster Stelle stehen würde, war den Meinungsforschern des Linzer Market-Instituts schon klar, als sie die aktuelle Umfrage zum Jahreswechsel gestartet haben. Vor einem Jahr lag die Sorge, ob wirkungsvolle Maßnahmen gegen den Klimawandel noch auf dem Spitzenplatz unter den Sorgen der Österreicherinnen (43 Prozent bekundeten große Sorgen) und Österreicher (38 Prozent). "Es war klar, dass diese Sorge von Corona überlagert wird, allerdings sind heute weiterhin 39 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer in großer Sorge wegen des Klimawandels", sagt Market-Institutschef David Pfarrhofer.

Was ihn mehr erstaunt: Die Corona-Krise hat soziale Fragen wieder an die vordersten Plätze der Sorgenliste der heimischen Bevölkerung gebracht: 49 Prozent machen sich große Sorgen, dass infolge der im heurigen Jahr aufgenommenen Staatsschulden ein neues Sparpaket kommen wird, etwa gleich groß ist die Sorge, dass sich die Kluft zwischen Armen und Reichen weiter öffnen wird.

Verteilungsfragen neu gestellt

Diese ökonomische Spaltung der Gesellschaft war ein Jahrzehnt lang auf dem Spitzenplatz der zum Jahreswechsel geäußerten Sorgen der Wahlberechtigten gelegen, erst gegen Ende der Zehnerjahre war das Klimathema in den Vordergrund gerückt. Nun hat die Einstufung als "große Sorge" innerhalb eines Jahres den Sprung von 35 auf 48 Prozent gemacht.

Ebenfalls hoch oben auf der Liste der Sorgen: Ob eine massive Steuererhöhung zum Zurückzahlen der Staatsschulden kommt (46 Prozent), ob die Regierung die richtigen Maßnahmen für die Zukunft Österreichs trifft (43 Prozent) und ob es zu einem weiteren Lockdown kommt (41 Prozent).

Pfarrhofer: "Persönliche Sorgen sind bei den Befragten deutlich geringer ausgeprägt als die gesellschaftlichen. Sieben von zehn Österreicherinnen und Österreichern machen sich um den Verlauf ihrer Beziehung überhaupt keine Sorgen, ähnlich ist es mit der Frage, ob man Zeit für sich selber und Zeit für die eigene Familie haben wird. Aber auch die Arbeitsplatzsicherheit ist nur für relativ wenige Leute ein Thema: Um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes sorgen sich 14 Prozent sehr, 22 Prozent etwas und 63 Prozent gar nicht. Das ist gegenüber der Jahreswende 2019/20 beinahe unverändert."

Optimismus ist zurückgekehrt

Daher sei es auch nicht erstaunlich, dass die Bevölkerung alles in allem glücklich und zu einem hohen Teil optimistisch ins neue Jahr blickt. Nach dem starken Einbruch in der Optimismusfrage im Oktober (damals waren nur 23 Prozent Optimisten) hat sich der Anteil der Optimisten bei 37 Prozent stabilisiert, jener der Pessimisten ist von 43 auf 36 Prozent zurückgegangen, der Rest ist unentschieden.

Ähnlich sieht es mit dem persönlichen Glücksgefühl aus. Die von Market dazu seit vielen Jahren unverändert gestellte Frage dazu lautet: "Wenn jemand über Sie sagen würde: 'Das ist ein glücklicher Mensch' – hätte er/sie recht damit?" Darauf sagen 23 Prozent "Ja, auf jeden Fall", weitere 59 Prozent "Eher schon" und 15 Prozent "Eher nicht". Nur drei Prozent bekunden, gar nicht glücklich zu sein. Diese Werte sind nicht signifikant schlechter als bei der Vergleichsumfrage Ende 2019.

Vor allem: Der Anteil von völlig unglücklichen Menschen liegt mit drei Prozent in der seit 2007 etablierten Bandbreite von einem bis vier Prozent.

Geringe Sorgen bezüglich Gesundheit

Zu den im langjährigen Trend verfolgbaren Fragen gehört auch die Sorge "ob sich meine Gesundheit verschlechtert" – und auch hier liegen die Antworten im langjährigen Schnitt. Nur 16 Prozent machen sich da – Corona hin, Corona her – große Sorgen. Im Vorjahr waren es 17, zur Jahreswende 2013/14 sogar 21 Prozent, ohne dass da eine Pandemie gedroht hätte.

Die eigentlich auf Corona bezogenen Fragen, die zu Vergleichszwecken in den bewährten Fragenkatalog einbezogen wurden, liegen nur im Mittelfeld des Sorgenkatalogs. So machen sich 36 Prozent große Sorgen, dass die Corona-Impfungen schwere Nebenwirkungen haben könnten – diese Sorgen sind etwa gleich groß wie jene vor Verschlechterungen im Pensionssystem (36 Prozent, etwas mehr als im Vorjahr, etwa auf den Niveau der frühen 10er-Jahre) oder eben den Sorgen wegen des Klimawandels.

Bedrohung der Grundrechte

Drei von zehn Österreichern sorgen sich sehr um die demokratischen Rechte und mögliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit durch staatliche Überwachung.

DER STANDARD ließ weiter fragen, welche der mehr oder weniger besorgniserregenden Entwicklungen nach Einschätzung der wahlberechtigten Bevölkerung auch wahrscheinlich eintreten werden. So sagen 41 Prozent, dass sie mit einem weiteren Terroranschlag rechnen. Zum Vergleich: Einen Anschlag wie jenen vom 2. November hatten zur vorigen Jahreswende 24 Prozent erwartet, das entsprach der langjährigen Einschätzung. Und: In anderer Fragestellung sind nur 21 Prozent dahingehend ganz ohne Sorge.

Market fragte mehr als 30 Dinge ab, die 2021 eintreten könnten. Die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit wird von der österreichischen Bevölkerung einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen USA und Europa unter Präsident Joe Biden zugerordnet, daran glauben 82 Prozent. Die geringste Wahrscheinlichkeit wird mit neun Prozent für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa angenommen. Auch an eine gelungene Integration von Zuwanderern in der Gesellschaft glaubt nur jeder Vierte.

Aufschwung und neue Steuern

Mehrheitlich erwartet wird die Einführung neuer Ökosteuern (77 Prozent) und eine gerechte und problemlose Verteilung des Corona-Impfstoffs (58 Prozent).

Einen wirtschaftlichen Aufschwung erwarten 53 Prozent – ein im langjährigen Vergleich hoher Wert, der allerdings damit zusammenhängt, dass es 2020 eben nicht aufwärts gegangen ist. (Conrad Seidl, 2.1.2021)