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Das Infotainment-System ist nur einer von vielen Computern, die in einem modernen Auto stecken und eifrig Daten sammeln.

Foto: AP

Wer ein Smartphone besitzt, dem muss bewusst sein, dass dieses jede Menge Daten sammelt – und potenziell auch an Dritte weitergibt. Dieser Umstand dürfte mittlerweile den meisten bewusst sein. Berichte über das Ausmaß der Standortüberwachung durch scheinbar harmlose Apps und das dahinterstehende Geschäftsmodell gab es in den den vergangenen Monaten jedenfalls reichlich. Dies hat wiederum dazu geführt, dass die Hersteller der großen Smartphone-Betriebssysteme – also Apple und Google – mittlerweile einige Verschärfungen vorgenommen haben, mit denen solche Formen der Spionage zurückgedrängt werden sollen.

Datensammlungen

Wer all das bereits für den Höhepunkt der Aushöhlung der Privatsphäre hält, für den hat ein Bericht von NBC News nun allerdings schlechte Nachrichten parat: zeigt dieser doch auf, wie umfangreich die Datensammlung durch aktuelle Fahrzeuge ist – und dass dieser Informationsschatz vermehrt das Interesse von Strafverfolgungsbehörden auf sich zieht.

Anlass

Konkreter Anlass für die Reportage war die Untersuchung eines bereits mehr als drei Jahre zurückliegenden Mordfalls. Im Juni 2017 war der Automechaniker Ronald French in Kalamazoo County im US-Bundesstaat Michigan tot aufgefunden worden. Dass dieser ermordet wurde, war anhand des Zustands der Leiche schnell klar. Einen Täter konnte man hingegen zunächst nicht dingfest machen. Der Durchbruch kam erst zwei Jahre später, als die mit dem Fall betrauten Polizeibeamten von einer neuen Ermittlungsmethode hörten: der "digitalen Fahrzeugforensik", die sich auf das Extrahieren von Daten aus den diversen Computersystemen eines Gefährts konzentriert.

Was sich damit alles aufspüren lässt, zeigt die Software der auf dieses Feld spezialisierten Firma Berla gut: Das beginnt bei einfachen Dingen wie dem Auslesen sämtlicher Details aus dem Infotainment-System, um etwa Details dazu zu erlangen, welche Geräte sich via Bluetooth oder WLAN verbunden haben, welche Textnachrichten verschickt und wer wann angerufen wurde. Doch das ist nur der Anfang, denn wirklich interessant wird es bei den Telematiksystemen: Diese speichern zum Teil umfassende Logs über die Aktivitäten des Autos. Mithilfe von GPS-Daten lassen sich dann nicht nur die gefahrenen Routen nachvollziehen, selbst Informationen darüber, wann welche Tür geöffnet, das Licht angeschaltet oder der Gurt angelegt wurde, landen teilweise in diesen Logs.

Schlimmer als Smartphones

Damit drängt sich der Vergleich auf, dass moderne Autos in Hinblick auf Datensammlungen so etwas wie Smartphones auf Rädern wären. Genau diesen lehnt Andrea Amico, Gründer der Firma Privacy4Cars, aber ab: Denn in Wirklichkeit seien Fahrzeugcomputer viel schlimmer, gegen deren Datensammlungen sei ein Smartphone nur ein Spielzeug. Man müsse sich einfach nur vergegenwärtigen, welche Fülle von Sensoren in einem modernen Auto stecken: Neben dem GPS finden sich dort auch Beschleunigungssensoren, zahlreiche Kameras – ein Auto wisse oft sogar, wie viel man wiegt.

Ermittlungen

Im Fall von French hatte dies für die Hinterbliebenen erfreuliche Konsequenzen: So fanden sie auf dem System Aufnahmen einer anderen Person, die rund um den Zeitpunkt des Mordes Musik via Sprachbefehl abspielte. Dies führte schlussendlich zur Verhaftung eines Verdächtigen, der nun auf sein Verfahren wartet, dabei aber sein Unschuld beteuert.

Vom konkrete Beispiel abgesehen ist aber klar, dass geraden in den USA Behörden mittlerweile routinemäßig auf all diese Daten zugreifen, wie auch damit betraute Beamte bestätigen. So verweist man etwa auf einen Fall, in dem anhand der Sequenz des Anlegens von Sitzgurten und der Öffnung der Türen belegt werden konnte, dass ein Verdächtiger entgegen den eigenen Angaben nicht alleine gewesen sein konnte.

Spionage

Dieser Datenschatz zieht natürlich nicht nur das Interesse von Behörden auf sich: So berichtet NBC News über den Fall eines Australiers, der mithilfe dieser Systeme sämtliche Fahrten seiner ehemaligen Lebensgefährtin in Echtzeit mitverfolgte – und zum Teil sogar einzelne Systeme fernsteuern konnte, um etwa die Fenster zu öffnen.

All das zeigt eine weitere Problematik auf: nämlich wie wichtig es ist, diese Daten beim Weiterverkauf eines Fahrzeugs mitzubedenken. Ähnlich wie bei der Weitergabe eines Smartphones wäre es auch hier wichtig, sämtliche Daten restlos zu löschen, wenn man nicht will, dass der neue Besitzer Zugriff auf allerlei private Details erhält, betont Amico. Das Problem dabei: Längst nicht alle Hersteller bieten dafür Tools an. Selbst in den Infotainment-Systemen fanden laut einer Untersuchung von Privacy4Cars 88 Prozent der Käufer noch private Daten wie Adressen und Telefonnummern der Vorbesitzer. (apo, 29.12.2020)