Zebrastreifen sind ein fixes Bild im Straßenverkehr. Künftig könnten derlei Gehwege auch vom Auto auf die Straße projiziert werden.
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Autos sollen lernen, besser mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Als zunehmend autonom agierende Roboter auf Rädern könnten sie etwa Gehwege oder Stopptafeln für Fußgänger auf die Straße projizieren. Die neuen Leuchtsignale könnten anzeigen, dass sich das Fahrzeug gleich in Bewegung setzt oder dass im nächsten Moment eine Tür geöffnet wird.

Für diese Anwendungen braucht es Technologien, die schnell und flexibel starke und komplexe Lichtsignale aussenden. Besonders gut sind dafür sogenannte mikroelektromechanische Systeme (MEMS) geeignet, also Mikrochips mit integrierten mechanischen Bauteilen. Ist dieser Mechanik-Bauteil ein kleiner Spiegel, der sich schnell und kontrolliert wenden und neigen lässt, kann man damit gezielt Laserlicht lenken, um – Bildpunkt für Bildpunkt – Muster zu schaffen, die für die menschliche Wahrnehmung als Bilder oder Videos erscheinen. Auf die Frage, wie man millimeterkleine Spiegel mit der dafür erforderlichen Präzision bewegen kann, gibt es mehrere Antworten. Forscher nutzen etwa elektrostatische Kräfte oder magnetische Mechanismen für die exakte Positionierung. Im Fall eines Projekts der Silicon Austria Labs (SAL) am Standort Villach sind es dagegen piezoelektrische Prinzipien, die die mechanische Bewegung kontrollieren lassen.

Volumensveränderung

Piezoelektrik bringt die Volumensveränderung von speziellen Kristallen oder Piezokeramiken mit elektrischer Spannung in Zusammenhang. "Dank des physikalischen Phänomens kann durch ein elektrisches Feld eine mechanische Reaktion hervorgerufen werden", erklärt Mohssen Moridi, der den Bereich Microsystem Technologies (MST) bei SAL leitet. "Wir verwenden dieses Konzept, um die Mikrospiegel gezielt zu bewegen."

Das Prinzip Mikrospiegel, das hier für Lichtsysteme im Fahrzeugbereich nutzbar gemacht wird, ist bereits Teil verschiedener anderer Anwendungen. Eine eigene Klasse von Projektoren basiert auf ihrer Grundlage. Sie werden etwa auch in sogenannten Lidar-Systemen eingesetzt, um per Laserstrahl eine Umgebung abzutasten – auch derartige Sensoren sollen künftig verstärkt in Fahrzeugen eingesetzt werden. Und die kleinen Reflektoren sind zudem seit langer Zeit ein wichtiges Element bei der Datenübertragung in Glasfaserkabeln und zu Satelliten.

System-Prototyp

Moridi und sein Team arbeiten an einem Prototyp eines Systems, das letztendlich nur wenige Zentimeter groß ist, aber den Chip mit Mikrospiegel samt der notwendigen Elektronik und einer für den Fahrzeugbereich adäquaten Lichtquelle vereint. Dass das angestrebte Designkonzept grundsätzlich funktioniert, konnten die Forscher bereits zeigen. In zwei Jahren könnte man so weit sein, um mit der Massenfertigung starten zu können.

In den Autos ist es nicht nur wichtig, kleine, energieeffiziente und günstige Einheiten produzieren zu können. Die Systeme sollten auch robust sein und Vibration und elektromagnetischer Strahlung langfristig widerstehen können – im Automobilbereich sollte die Lebensdauer zumindest über zehn Jahren liegen. Gleichzeitig sollen die Bewegungswinkel, die mit den Piezomikrospiegeln verlässlich erreichbar sind, vergrößert werden.

Kompliziertes Aufdampfen

Die Herstellung der Minimechanik erfolgt auf Basis von herkömmlichen Wafern – Silicium-Scheiben, die als Basis für die Chipproduktion dienen. Auf ihnen werden die entsprechenden Strukturen geschaffen und die piezoelektrischen Schichten aufgebracht, die dann für die gezielten Verformungen sorgen. Gerade das Aufbringen der Piezokeramik mittels des Sputter-Prozesses, also durch das Aufdampfen dünner Beschichtungen, stellt die Forscher vor Herausforderungen. "Um die gewünschte Qualität des dünnen Keramikfilms zu erreichen, sind hohe Temperaturen von bis zu 800 Grad nötig", sagt Moridi. Die Forscher kooperieren mit Unternehmenspartnern, um das geeignete Beschichtungsverfahren samt entsprechenden Werkzeugen zu entwickeln.

Für ein markttaugliches Konzept müssen bei der Entwicklung Modellierung, Simulation und die Fertigung tatsächlicher physischer Bauteilserien eng ineinandergreifen. "Letztendlich vergleicht man, ob das reale Bauteil so gut wie im Modell funktioniert. Üblicherweise ergeben sich aus der Fertigung Ansätze, wie man das Modell weiter verbessern kann", veranschaulicht Moridi den Optimierungsprozess. (Alois Pumhösel, 9.1.2021)