Der Dienst beim Bundesheer tut einem Angeklagten gut, der einen früheren Freund verleumdet hat.

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Wien – Angeklagter D. erscheint bei einem der letzten Prozesse des Jahres 2020 im Landesgericht für Strafsachen Wien in ungewöhnlicher Montur. Der unbescholtene 19-Jährige trägt nämlich seine Bundesheeruniform inklusive Barett, als er vor Richter Georg Allmayer Platz nimmt. Verantworten muss D. sich wegen Verleumdung und falscher Beweisaussagen – er hat einen Bekannten fälschlicherweise wegen Drohung mit einem Messer sowie einer telefonischen Morddrohung angezeigt, sodass dieser in Untersuchungshaft wanderte, ehe er freigesprochen wurde.

Bei der Überprüfung der Generalien des Zeitsoldaten zeigt sich, dass der Präsenzdienst des Richters doch schon etwas zurückliegt. "Was für einen Rang haben Sie? Korporal?", fragt Allmayer. "Gefreiter", lautet die Antwort? "Ist das mehr?" – "Weniger", mischt sich Staatsanwalt Bernhard Löw ein. "Bei mir ist das schon eine Zeitlang her", entschuldigt sich Allmayer gutgelaunt. Verblüfft ist er, als ihm D. verrät, dass er im Assistenzeinsatz 2.100 Euro netto verdient. "Was machen Sie mit dem ganzen Geld?", will der Richter wissen. "Investieren", sagt der Angeklagte.

Deutlicher Größenunterschied

Bevor D. zur Sache befragt werden kann, erscheint der als Zeuge geladene verleumdete Herr K. im Saal, da er sich verspätet hat. Er ist um die 20 und mindestens zwei Köpfe kleiner als der Angeklagte. Allmayer erklärt K., dass er draußen warten muss, bis er aufgerufen wird.

"Warum habe Sie Herrn K. zweimal falsch angezeigt und das bei seiner Gerichtsverhandlung dann zurückgezogen?", will der Richter vom Angeklagten wissen. "Ich hatte ein bissi Angst vor ihm", lautet die überraschende Antwort. "Vor dem kleinen Maxerl?", bricht es aus dem Richter hervor. D. nickt.

Wie sich im Verlauf des Verfahrens herausstellt, waren D. und K. "früher ganz gute Freunde. Dann nicht mehr", wie der Angeklagte verrät. "Wir haben früher gemeinsam Drogen genommen, aber ich habe mit dem Scheiß aufgehört." Da K. aber mehrere Vorstrafen hatte und Leute kenne, habe er Angst gehabt. "Ist der so aggressiv, der Kleine da? Sie sind ja doppelt so groß wie er!", mag Allmayer es noch immer nicht glauben. Die Replik: "Es kommt nicht immer auf die Größe an." – "Ja, sagt man so", erwidert Allmayer, dessen Mund-Nasen-Schutz verbirgt, ob er dabei eine Miene verzieht.

Bundesheer "taugt mir"

Laut Jugenderhebungen wuchs D. unter schweren familiären Bedingungen auf, das Bundesheer tue ihm aber gut, da er einen geregelten Tagesablauf habe. Der Angeklagte bekräftigt das: "Ich will es vielleicht weitermachen und Kadersoldat werden. Weil es taugt mir", zeigt er sich motiviert.

Allmayer verurteilt D. rechtskräftig zu fünf Monaten bedingt. "Das scheint nicht im Strafregisterauszug auf, sie müssen einem Arbeitgeber also nicht sagen, dass Sie vorbestraft sind. Ob das auch beim Bundesheer so ist, weiß ich nicht", gibt der Richter zu. "Die schauen nicht auf eine Verurteilung; die schauen, ob der Drogentest positiv oder negativ ist", gibt der Angeklagte noch interessante Einblicke in das Personalauswahlverfahren der Streitkräfte. (Michael Möseneder, 30.12.2020)