Wissenschafter untersuchten, woher die Ureinwohner der Marianen (im Bild Saipan, nach Guam die zweitgrößte Insel der Inselkette) ursprünglich kamen.
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Den meisten Menschen ist der Marianengraben als tiefste Stelle der Weltmeere ein Begriff, die gleichnamigen in der Nähe liegenden Inseln dagegen sind deutlich weniger prominent. Der gut 800 Kilometer lange Bogen von großteils vulkanischen und einigen Koralleninseln liegt im westlichen Nordpazifik, etwas mehr als 2.000 Kilometer östlich der Philippinen. Auch nicht allgemein bekannt ist, dass die Marianen nach Maria Anna von Österreich benannt wurden, die an der Seites ihres Gatten König Philipp IV. (dem Namenspatron der Philippinen) 1649 bis 1665 Königin von Spanien war.

"Entdeckt" wurden die Marianen am 6. März 1521 von Ferdinand Magellan auf seiner Weltumsegelung nach einer fast viermonatigen, entbehrungsreichen Überquerung des Pazifik. Zunächst erhielt die Inselgruppe den Namen Islas de Ladrones ("Insel der Diebe"), angeblich weil sich die Ureinwohner feindselig zeigten und Gegenstände von Bord der insgesamt fünf Schiffe stahlen. Magellans Chronist Antonio Pigafetta berichtete: "Da die Bewohner dieser Inseln sehr geschickte Diebe waren, gaben wir diesen Inseln den Namen 'Ladronen', Diebesinseln." Erst 150 Jahre später wurden die Marianen unter ihrem heutigen Namen offiziell der spanischen Krone unterstellt und in einem fast 30 Jahre dauernden Krieg gegen den erbitterten Widerstand der Bevölkerung erobert. Von den ursprünglich bis zu 100.000 Einwohner sollen nur etwa 5.000 überlebt haben.

Frühe Fernreisen

Woher diese Menschen vor etwa 3.500 Jahren ursprünglich kamen und in welchem verwandtschaftlichen Zusammenhang sie mit den Erstbesiedlern Polynesiens standen, war bisher kaum erforscht worden. Ein internationales Team aus Wissenschaftern des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig, der Australian National University und der University of Guam (der Hauptinsel der Marianen) konnte nun jedoch etwas Licht in die Frühgeschichte der Inselgruppe bringen.

Der Ausgrabungsbereich außerhalb der Ritidian Beach-Höhle im Norden von Guam.
Foto: Hsiao-chun Hung

Um die Marianen zu erreichen, mussten die Menschen mehr als 2.000 Kilometer offenen Ozean überqueren, und das gelang ihnen rund 2.000 Jahre früher als andere Seereisen über ähnlich lange Distanzen. "Wir wissen mehr über die Besiedlung Polynesiens als über die Besiedlung der Marianeninseln", sagt Irina Pugach vom MPI-EVA, Erstautorin der nun im Fachjournal "Pnas" erschienenen Studie. Um diese Lücken zu schließen, untersuchten die Wissenschafter das Erbgut zweier menschlicher Skelette aus der Ritidian Beach-Höhle im Norden Guams, die auf ein Alter von etwa 2.200 Jahren datiert wurden. Das Ergebnis der DNA-Analysen weist auf Verwandtschaftsbeziehungen zu den Philippinen hin.

Ursprung der Bewohner der Marianen und Polynesiens

"Unsere Resultate bestätigen damit, was auch linguistische und archäologische Studien ergeben haben: Sie deuten auf einen inselsüdostasiatischen Ursprung der ersten Besiedler der Marianeninseln hin", sagt Koautor Mike T. Carson, Archäologe am Micronesian Area Research Center an der University of Guam. "Wir finden auch eine enge Verbindung zwischen den alten Guam-Skeletten und frühen Lapita-Individuen aus Vanuatu und Tonga im westlichen Pazifik", fügt Pugach hinzu. "Die Marianeninseln und Polynesien wurden also möglicherweise von derselben Ursprungspopulation kolonisiert. Darüber hinaus könnten die Marianen eine Rolle bei der späteren Besiedlung Polynesiens gespielt haben."

Der Archäologe Mike T. Carson von der University of Guam bei der ersten Freilegung eines der Skelette.
Foto: Hsiao-chun Hung

Die Wissenschafter weisen darauf hin, dass ihre Untersuchungen zwar interessante neue Erkenntnisse liefern, aber nur auf der Analyse des Erbguts zweier Skelette beruhen, die aus der Zeit rund 1.400 Jahre nach der ersten Besiedlung Guams stammen. Die Besiedlungsgeschichte von Guam und der abgelegenen Inselgruppen in Ozeanien sollte daher noch intensiver untersucht werden, meinen die Forscher. (red, 2.1.2021)