Wer den Begriff "Smartphone" äußert, hat dabei meist auch schnell ein passendes Bild im Kopf, und das ist üblicherweise mit den erfolgreichste Geräten diese Kategorie deckungsgleich. Also etwa ein iPhone oder auch irgendeinen Vertreter von Samsungs Galaxy-S-Reihe. Das ist auch kein Wunder, immerhin ähneln sich die meisten Smartphones heutzutage rein äußerlich stark. Die Zeit der großen Experimente scheint weitgehend vorbei zu sein – vielleicht einmal abgesehen von der noch in der Frühphase steckenden Kategorie der faltbaren Devices, wo die Hersteller erst noch nach dem optimalen Design suchen. Das war aber nicht immer so. Um daran zu erinnern, folgt hier ein Blick auf einige der "weirdesten" Smartphone-Designs der Geschichte.

Motorola Backflip (2010)

Foto: Motorola

Es galt in den frühen Jahren der Smartphone-Ära vielen als ein unerlässliches Ausstattungsmerkmal: eine Hardwaretastatur. Und Motorola war in dieser Hinsicht einer der erfolgreichsten Hersteller. Das Motorola Droid (in Europa: Milestone) war das erste richtig erfolgreiche Android-Smartphone überhaupt. Kein Wunder also, dass Motorola versuchte, diesen Ansatz weiter voranzutreiben. Das Ergebnis war aber eher ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Designteam mal einfach wild herumprobiert, ohne dass jemand je die Sinnfrage stellt.

Beim Motorola Backflip lässt sich die Tastatur nämlich nicht einfach nur unter dem Display herausziehen, sie kann auch nach hinten geklappt werden – daher auch der Name. Zudem gab es noch auf der Rückseite des Displays eine Art Touchpad zur Steuerung. Das klingt alles in der Theorie sehr nett, war aber in der Realität schlicht unhandlich und wenig praktikabel. Vor allem aber machte dieses Design das Backflip äußerst beschädigungsanfällig.

Microsoft Kin (2010)

Foto: Microsoft

Gäbe man Microsoft die Chance, ein Produkt aus seiner Geschichte vergessen zu machen, stände das "Kin" wohl ganz oben auf der Liste. Dabei klang auf dem Papier alles so gut: im Jahr 2010 ein Smartphone speziell für Social Networking auf den Markt zu bringen, noch dazu mithilfe der zuvor übernommenen Firma Danger, die einst von Android-Gründer Andy Rubin geleitet wurde und hoch erfolgreich war – eine gewinnbringende Formel, sollte man meinen. In Wirklichkeit war die Entwicklung von internen Streitigkeiten und seltsamen technischen Entscheidungen geprägt.

Während man in anderen Bereichen von Microsoft längst verstanden hatte, dass man gegen Android und iOS mit den bestehenden Angeboten keine Chance hatte, und eifrig an Windows Phone arbeitete, setzen die Kin-Entwickler lieber auf das alte Windows CE. Auch das Design erinnerte eher an die mehrere Jahre alten Sidekicks von Danger als an aktuelle Smartphones – auch wenn man immerhin zwei Varianten im Angebot hatte. Dazu kam dann noch, dass Launch-Partner Verizon die zuvor getroffenen Abmachungen kurzfristig über den Haufen warf und so das Kin erheblich teurer als eigentlich geplant verkauft wurde. Das Ergebnis war vernichtend: Gerade einmal 48 Tagen nach der Veröffentlichung verkündete Microsoft auch schon wieder die Einstellung des Kin. Der anvisierter Europastart fand nie statt, in Summe sollen nur ein paar zehntausend Exemplare verkauft worden sein.

Kyocera Echo (2011)

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP

Wer die Smartphone-Welt nur oberflächlich verfolgt, könnte meinen, dass es sich bei Geräten wie dem Surface Duo von Microsoft oder auch dem ZTE Axon M um ein neueres Phänomen handelt. In Wirklichkeit reicht die Geschichte der Dual-Screen-Smartphones aber viel weiter zurück. Kyocera versuchte sich mit dem Echo bereits 2011 an einem solchen Konzept. Äußerlich mag das Ganze zunächst an eine Art aufgeblasenes Nintendo DS erinnern, die Bildschirme waren aber natürlich erheblich besser – und die Ambitionen groß.

Die grundlegende Idee kommt einem irgendwie bekannt vor: Das zweite Display könnte entweder für die parallele Nutzung zweier Apps verwendet werden oder dafür, um den Programmen in einer Art Tablet-Modus mehr Platz zu verschaffen. Am Rande sei angemerkt, dass es nicht eines gewissen Humors entbehrt, dass schon damals Google Maps die erste App war, die den Herstellern zur Bewerbung dieser Fähigkeiten einfiel – so wie heute auch noch bei faltbaren Geräten.

Das Problem dabei ist eines, das in den Folgejahren noch viele anderer Hersteller von Android-Devices mit ungewöhnlichem Formfaktor zur Kenntnis nehmen mussten: Solch ein Konzept steht und fällt mit dem Software-Support. Für einzelne Geräte rentiert sich der daraus resultierende Mehraufwand für App-Entwickler aber kaum, also tut sich praktisch niemand die Arbeit an – und die versprochene Nützlichkeit bleibt bloß unerfülltes Potenzial.

Dazu kam allerdings auch noch ein anderes Problem: Zwei Bildschirme bedeuten natürlich auch, dass der Akkuverbrauch höher ist – und dieses Problem war im Jahr 2011 aufgrund weniger effizienter Displays noch größer als heutzutage. Die Laufzeit war also bescheiden, da half auch die Beigabe eines zweiten Akkus durch den Hersteller nur wenig.

LG Optimus Vu (2012)

Foto: LG

Anfangs für seine manchen geradezu absurd anmutenden Abmessungen noch verlacht, läutete Samsungs Galaxy-Note-Reihe den Wandel zu immer größer werdenden Smartphones ein. LGs Antwort auf diesen Trend zum "Phablet", wie es damals grausamerweise genannt wurde, war das Optimus Vu. Generell lag man damit also schon richtig, der Hersteller machte aber einen fatalen Fehler.

Als Seitenverhältnis wählte LG beim Bildschirm des Optimus Vu 4:3. Das hatte zur Folge, dass das Gerät es mit seinem 5-Zoll-Display auf beeindruckende 90 Millimeter Breite brachte. Zum Vergleich: Selbst ein aktuelles Galaxy Note 20 Ultra (mit 6,9-Zoll-Display) ist gerade einmal 77 Millimeter breit. Das machte das Optimus Vu eventuell als kleines Tablet akzeptabel, für die Smartphone-Nutzung war es aber schlicht zu unhandlich.

ASUS PadFone (2012)

Vom Padfone gab es mehrere Generationen – hier zu sehen: das Padfone X.
Foto: ASUS

Die Idee klingt verlockend: ein Smartphone, das sich gleichzeitig als Tablet oder gar Desktop-Rechner nutzen lässt . Ähnliches bietet etwa Samsung über seinen Dex-Modus. Bei Asus hat man es vor einigen Jahren gar mit eigener Peripherie versucht – ließ sich das Asus Padfone doch in eine zugehörige Hülle mit Display stecken, womit es dann zum Rechenkern für ein größeres Gerät wurde. Auch ein zugehöriges Tastaturdock gab es.

In diesem Fall hat der Hersteller sogar mehrere Generation dieser Hardware herausgebracht, großer Erfolg war aber keiner davon beschert. Wohl nicht zuletzt, weil einer der zentralen Vorteile eines einheitlichen Geräts wieder verschwindet, wenn man dann erst recht wieder sperrige Zusatzgeräte mitschleppen muss. Ganz generell sind all diese Desktop-Modi zwar bei einem gewissen Segment technisch versierter Nutzer sehr beliebt, die breite Masse scheint sich dafür aber kaum zu interessieren.

Samsung Galaxy Round (2013)

Foto: Samsung

Ein weiterer Eintrag in die Kategorie wunderlicher Designkonzepte, die aus ungeklärten Gründen in ein fertiges Produkt verwandelt wurden, ist das Galaxy Round von Samsung. Zugegeben: Bei seiner Vorstellung im Jahr 2013 sorgte es für einiges Aufsehen – ein Display, das eine konkave Biegung von links nach rechts bot, hatte man zuvor noch nie gesehen. Jenseits dieses Spektakels stellte sich aber schnell die Frage: Wozu das Ganze?

Wie immer in solchen Fällen argumentierte der Hersteller mit nicht näher belegten Behauptungen, es verfüge über eine bessere Handlichkeit. In Wirklichkeit stellten die Käufer aber schnell fest, dass ein solches Design einen nicht zu unterschätzenden Nachteil hat. Es zeigen sich starke Reflexionen in der Mitte. Und da man sonst keinen wirklich guten Grund für die Existenz des Geräts vorweisen konnte, verschwand es auch bald wieder in der Versenkung.

LG G Flex (2013)

Foto: LG

Faltbare Smartphones mögen noch ein relativ neues Phänomen sein, Vorläufer gab es aber schon vor einigen Jahren. Das LG G Flex war nicht nur gebogen – anders als das Galaxy Round aber von oben nach unten –, es war im Gegensatz zu Googles Galaxy Nexus auch in einem begrenzten Rahmen flexibel.

Die Faszination, die das Gerät ausübte war entsprechend stark – also zumindest, bis man es wirklich in der Hand hatte: Handelte man sich im Gegenzug doch einen ziemlich schlechten Bildschirm ein, während das Design kaum reale Vorteile bot. Dafür war es aber ziemlich teuer. Eine Formel, mit der dann auch ein tatsächlich noch produzierter Nachfolger nicht erfolgreicher werden sollte.

Yotaphone (2014)

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Yotaphone 2.
Foto: AP

Ein weiteres Dual-Screen-Gerät stammte vom russischen Netzanbieter Yota – aber eines mit einem speziellen Twist. Neben einem normalen Bildschirm vorne gab es rückseitig noch ein zweites Display, und zwar einen E-Ink-Bildschirm, wie man ihn sonst von E-Book-Readern kennt. Die Idee war, hier eine stromsparende Alternative für längere Texte zu bieten und so die beiden Gerätekategorien zu vereinen.

An sich war das keine ganz schlechte Idee, und so gab es auch mehrere Hardwaregenerationen des Yotaphones, bis der Hersteller schlussendlich im Jahr 2019 Konkurs anmelden musste. Dessen letztes Werk, das Yotaphone 3, wurde gar noch 2018 mit einem Design Award ausgezeichnet.

Trotzdem zeigt sich hier wieder eine andere Realität, die im Gerätedesign gerne vergessen wird: Die Kombination verschiedener Produktkategorien in einem Device ist nur äußerst selten erfolgreich, da hierdurch oft Nachteile – etwa in Hinblick auf Gewicht und Handlichkeit – entstehen, die die erhofften Vorteile zunichte machen.

LG Wing (2020)

Foto: Pichler / STANDARD

Was bei dieser Aufzählung schnell einmal auffällt: wie oft LG in der Liste vorkommt. So wenig erfolgreich das Unternehmen mit seiner Smartphone-Sparten in den vergangenen Jahren auch gewesen sein mag, eines muss man dem Hersteller schon lassen: Experimentierfreudig ist er. Und so liefert die Firma auch das einzige aktuelle Gerät, das gut in diese Reihe passt: das LG Wing – oder, wie der STANDARD-Test resümierte, "das kurioseste Handy des Jahres".

Der primäre Bildschirm kann hier um 90 Grad gekippt werden, wodurch dahinter ein zweites Display offenbart wird. In Kombination entsteht dadurch eine Art T-Form. So ungewöhnlich diese Wahl auch ist – die genannten Einsatzszenarien erinnern dann doch wieder sehr an andere Dual-Screen-Geräte.

Ein Display könnte als breite Tastatur genutzt werden, während das andere die Inhalte darstellt, heißt es etwa. Man könnte gleichzeitig ein Video betrachten und durch die Kommentare scrollen. Und so weiter. Wer oben aufgepasst hat, weiß natürlich schon, wie das ausgehen wird. Denn natürlich hängt auch das wieder von der Unterstützung durch App-Hersteller ab. Was bleibt, ist eine durchaus faszinierende Spielerei, die es dafür in einem nicht gerade schlanken Paket mit 260 Gramm Gewicht gibt.

Nachsatz

Bevor hier ein allzu negativer Eindruck entsteht: All diese Geräte mögen für sich gescheitert sein – oder sind gerade drauf und dran, dies zu tun –, aber wenigstens haben die Hersteller einmal etwas probiert. Diese Experimentierfreudigkeit ist es erst, die es auch ermöglicht, neue Entwicklungen anzustoßen, die dann auch irgendwann massentauglich sind. Und das sollte im Einheitsbrei, den aktuelle Smartphones größtenteils derzeit darstellen, auch nicht ganz vergessen werden. (Andreas Proschofsky, 6.1.2021)