Der Blick über Jerusalem vom Dach des österreichischen Hospizes ist spektakulär. Seit Monaten können ihn nur dessen Bewohner genießen.

Foto: Hudelist

Raus aus dem hektischen Basartreiben, hinein in die alten Gemäuer und sich die vom Kulturschock erfasste Seele von Apfelstrudel und Schlagobers streicheln lassen: Das finden jedes Jahr viele der Jerusalem-Touristen, die nach ein paar Stunden in der engen Altstadt etwas Ruhe brauchen, im Wiener Café des Österreichischen Hospiz – fast jedes Jahr: Diesmal ist auch hier alles anders. Dabei hätte 2020 für den Jerusalem-Tourismus ein Rekordjahr werden sollen.

Erst der Ausbau, dann die Pandemie

Das Hospiz ist das älteste christliche Pilgerhaus in Jerusalem; aber viele Besucher, die hierherkommen, haben mit Religion wenig am Hut, dafür mehr mit Melange und Sachertorte. Das Haus bietet Einzelzimmer und Schlafsäle für die Nächtigung und Wiener Kulinarik im Café Triest. In den vergangenen Jahren nahm der Gästeandrang so stark zu, dass der Platz bald eng wurde, ein neuer Gästetrakt musste her. Im Vorjahr wurde dieser eröffnet, für heuer war er schon ausgebucht. Doch dann kam Corona – und damit die Stornierungswelle.

Seit März 2020 ist das Gästehaus geschlossen, das Café hatte bis auf eine Corona-Atempause im Juni und Juli ebenfalls zu. Nur der Rektor, Pater Markus Bugnyár, und die in Kurzarbeit befindlichen Angestellten genießen seitdem den Rundumblick von der Dachterrasse, wobei Geldsorgen die Freude trüben. Schön langsam, erzählt Bugnyár dem STANDARD, nagen die Fixkosten an den Notreserven.

Griff in die Kriegskassa

"Es ist schwierig", berichtet der Rektor. Die Pandemie werde man zwar "mit viel Bauchweh" überstehen, ohne Konkurs anmelden zu müssen. Dass dafür aber die eisernen Reserven angezapft werden müssen, sei auf längere Sicht gefährlich: Denn diese Rücklagen wurden für den Fall, dass wieder eine Terrorwelle rollt oder ein Krieg ausbricht, angelegt. Auch wenn derzeit nichts auf eine neue Intifada hindeutet, müsse man in Jerusalem stets für diesen Fall gerüstet sein, sagt Bugnyár.

Der Rektor hatte schon rund um Ostern Alarm geschlagen, dass die Lage des Pilgerhauses prekär sei. Für das direkt an der Via Dolorosa gelegene Hospiz ist Ostern der Umsatzhöhepunkt des Jahres. Eine Spendenkollekte rettete das Haus über die ersten Monate. Doch bald merkte man, dass die fortschreitende Corona-Krise allen zu schaffen macht: den Spendern, aber auch den karitativen Organisationen, die wegen der zunehmenden Not mehr Arbeit – und damit höheren Finanzbedarf – haben.

"Kein Ort, wo ein Israeli zum Luftschnappen hingeht"

Touristen dürfen bis auf wenige Ausnahmen seit März nicht mehr in Israel einreisen. Auch der Inlandstourismus ist infolge der monatelangen Hotelschließungen weitgehend zum Erliegen gekommen.

"Ich will nicht jammern", sagt Bugnyár, "ich weiß, dass es viele gibt, die es schlimmer erwischt haben als wir." Das Hospiz hat im Vergleich zu anderen Tourismusbetrieben in Jerusalem aber auch Wettbewerbsnachteile. Wenige Kilometer weiter, in Westjerusalem, verirren sich wenigstens die inländischen Urlauber und die Stadtbewohner in die Takeaway-Cafés. Das muslimische Viertel in der Altstadt hingegen "ist nicht der Ort, wo ein Israeli zum Luftschnappen hingeht", sagt Bugnyár – es gibt ohne Touristen keine Laufkundschaft. Mit Zustelldiensten habe man aber keine Erfahrung, und eine Krise "ist nicht der ideale Zeitpunkt, um so etwas aufzubauen".

Arbeiten und hoffen

Nun, da Israel im Rekordtempo impft und auch in Europa die Immunisierung begonnen hat, bleibt nur die Hoffnung, dass es bald besser aussieht. Bugnyár und einige Angestellte nutzen die Zeit für Sanierungsarbeiten. Um irgendwann, wenn die Grenzen wieder offen sind, für den erhofften Ansturm der Reisenden gerüstet zu sein. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 01.01.2021)