Bundeskanzler Sebastian Kurz

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Sebastian Kurz hatte sich wohl auf ein anstrengendes, aber auch ein fröhliches Jahr als Kanzler eingestellt. Frisch gestärkt aus der souverän gewonnenen Wahl müsste sich 2020 doch etwas anstellen lassen, was bleibenden Eindruck hinterlässt und die führende Rolle der Volkspartei festigt. Mit den Grünen als kleinem Koalitionspartner war etwas Besonderes auf dem Weg, diese Konstellation gab es auf Bundesebene noch nicht, da müsste man auch international reüssieren können, das ist ja ein spannender Entwurf.

Bei allen ideologischen Widersprüchen, die es zwischen ÖVP und Grünen gibt, sollte eines klar sein: Die ÖVP führt, die Grünen sind das Beiwagerl. Wenn bei Umweltthemen tatsächlich etwas weitergeht, sollte das auch die ÖVP schmücken, liegt ja voll im Trend. Dort, wo es Dissens gibt, in Flüchtlingsfragen etwa, sollte die ÖVP bei einer öffentlich geführten Auseinandersetzung profitieren können: Die Grünen mit ihren gutmenschlichen Forderungen in die Schranken zu weisen würde bei einer Mehrheit der Wähler gut ankommen.

Es kam eine Pandemie

Aber es kam ganz anders. Es kam eine Pandemie, die alles auf den Kopf stellte. Als Erstes wurde das Budget pulverisiert, dann alles andere. Umweltanliegen wurden hintangestellt, außer Corona gibt es nur Corona und Corona, und das in allen Facetten. Mittlerweile befinden wir uns im dritten Lockdown und die Stimmung ist zunehmend gereizt. Mehr als 6.000 Tote, ein Rekordwert an Arbeitslosen, das Vertrauen in die Regierung und den Kanzler sinkt.

Mehr als 200 Pressekonferenzen, das müsste dem Kanzler mit dem Inszenierungstick doch entgegenkommen. Tat es aber nicht. Die immer schlechten Nachrichten waren nicht gut für Kurz. Die türkis-grüne Hinhaltetaktik, für die es in der Pandemie keine schlüssigen Alternativen zu geben scheint, kommt in der Bevölkerung nicht gut an. Anfangs konnte Kurz noch vermitteln, er wisse, was zu tun sei, er werde das Land mit ruhiger Hand durch die Krise führen. Dieser Eindruck verflüchtigte sich zusehends. Die Regierung wirkte überfordert und unsicher. Sie kommunizierte nicht nachvollziehbar und weckte in vielen regierungskritischen Menschen Zweifel, die im Extremfall in kruden Verschwörungstheorien münden: Corona sei nur eine Erfindung, um die Bevölkerung besser kontrollieren zu können.

Zweifler und Skeptiker

Mit allen diesen Zweiflern und Skeptikern muss sich die Regierung auseinandersetzen. Es geht ums Testen und ums Impfen, es geht aber auch darum, einen belastbaren Kommunikationskanal zwischen Bevölkerung und Regierung offen zu halten. Da ist Kurz schon an seine Grenzen gestoßen.

Womit Kurz auch nicht gerechnet hat: dass mit Rudolf Anschober, der in der Regierungsaufstellung eigentlich den zweiten Zwerg von links hätte spielen sollen, nun ein grüner Kronprinz an seiner Seite steht, der eigene Vorstellungen hat und diese trotz pastoralen Tons sehr machtbewusst vertritt.

2020 war furchtbar. Aus dieser Erfahrung kann man lernen, aus diesem Schaden muss man klug werden. Auf Kurz gemünzt: Authentizität ist besser als Inszenierung. Nicht alles "verkaufen" und verkleiden, besser ehrlich und transparent kommunizieren. Die Menschen hassen es, wenn sie für dumm verkauft werden. Das gilt in Ausnahmesituationen wie einer Pandemie, aber auch im Alltag einer türkis-grünen Koalition, der irgendwann einkehren möge. (Michael Völker, 31.12.2020)