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Spanien verhindert seit jeher alles, was für Gibraltar zusätzliche Souveränität bedeutet, das macht die Sache kompliziert.

Foto: Reuters/Nacza

Ganz Britannien hat den harten Brexit abgewandt. Nein, nicht ganz Britannien. Dem kleinen Gibraltar droht am 31. 12. Punkt Mitternacht eine Grenzschließung. Denn dann wird aus der, unter britischer Verwaltung stehenden Halbinsel mit ihrem weithin sichtbaren "Affenfelsen" an der Südspitze der Iberischen Halbinsel ein Gebiet außerhalb der Europäischen Union. Natürlich gilt dies auch für das restliche Vereinigte Königreich. Aber, dort gibt es ein Abkommen zwischen London und Brüssel, die das weitere Miteinander regelt. Auf Gibraltar wird das nicht angewandt. Spanien, das Anspruch auf Gibraltar erhebt, erreichte dies im Vorfeld der Brexit-Verhandlungen. Unter höchstem Druck verhandeln deshalb Madrid und London über eine Grenzregelung. Gibraltar selbst sitzt nur als Teil der britischen Delegation mit am Tisch.

Drohende Staus

"Wir werden bis zur letzten Sekunde 2020 verhandeln", um "eine harte Grenze zu verhindern", beteuert die spanische Aussenministerin Arancha González Laya. Sollte dies nicht gelingen, seien die Folgen unter anderem "Staus wie in Dover", warnt sie. Denn bisher gibt es nur ein Sonderabkommen für die rund 15.000 spanischen Pendler, die täglich nach Gibraltar einreisen, um dort zu arbeiten. Der restliche Personen- und Warenverkehr würde dann wie mit anderen Drittländern üblich, strikt kontrolliert. Wer mit seinem Wagen aus Gibraltar nach Spanien fahren will, braucht dann eine Zusatzversicherung. Selbst Einreisevisa wären denkbar. Ein Abkommen könnte Gibraltar über Spanien an den Schengenraum mit seiner Freizügigkeit anschließen.

Doch das ist nicht leicht. Denn Spanien verhindert seit jeher alles, was für Gibraltar zusätzliche Souveränität bedeutet. Selbst Schengen-Außengrenze zu sein, wäre so etwas. Die 6,5 Quadratkilometer gehören seit dem Ende des Erbfolgekrieges 1704 zum Vereinigten Königreich. 1713 wurde das Gebiet im Vertrag von Utrecht ganz offiziell abgetreten. Der Utrechter Vertrag hält eine Rückkehr zu Spanien offen, sollte sich Großbritannien aus Gibraltar zurückziehen. Dies ist zwar eine rein hypothetische Möglichkeit, dennoch erkennt Spanien die Existenz Gibraltars als eigenes souveränes Gebilde nicht an. Auch wenn die dortige Bevölkerung – 34.000 Einwohner – zuletzt 2002 per Referendum auf ihre Selbstständigkeit pochten.

Einfluss ausdehnen

Spanien versucht stattdessen selbst immer mehr Mitspracherecht über Gibraltar zu erlangen. Dass der "Affenfelsen" aus den Brexit-Verhandlungen ausgenommen wurde und über die Zukunft des Gebietes, das mit großer Mehrheit gegen den EU-Austritt stimmte, direkt zwischen Madrid und London verhandelt werden muss, ist ein Erfolg für Spanien.

Auf beiden Seiten des Grenzzauns ist nur wenig darüber zu erfahren, warum die Verhandlungen zum Stocken gerieten. Vermutlich geht es darum, wer denn nun den Hafen und den Flughafen Gibraltars kontrolliert, damit das britische Gebiet an die Freizügigkeit des Schengenabkommens angegliedert wird. Madrid soll darauf bestehen, dass spanische Polizisten dabei involviert sind. Die Regierung in Gibraltar und London lehnen dies ab.

"Dies ist der Moment, an dem wir die Wahl haben, ob wir sicher stellen, dass keiner von uns an diesem Tisch verliert, auch wenn keiner von uns gewinnt – oder ob wir alle gewinnen, um sicherzustellen, dass keiner von uns verliert", mahnt der Chef der Regierung von Gibraltar "Chief Minister" Fabian Picardo. Er fordert Spanien und London auf "300 Jahre Geschichte zu besiegen". Eine mögliche Lösung könnte sein, dass Beamte der europäischen Grenzagentur Frontex in Gibraltar stationiert werden und Madrid Bericht erstatten. (Reiner Wandler, 30.12.2020)