In Wien wurden Bullen, die an der Börse für steigende Kurse stehen, in den vergangenen 30 Jahren nur phasenweise gesichtet.
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Mit Ablauf des letzten Handelstags 2020 hat der österreichische Leitindex ATX seine ersten 30 Dienstjahre absolviert. Der erste Börsentag des Jahres 1991 wurde für das Kursbarometer zum Ausgangspunkt mit 1000 Indexpunkten. Laufend veröffentlicht wurde der ATX allerdings erst ab Mai dieses Jahres – und dann ging es erstmals deutlich abwärts. Denn der ATX startete mitten in einem Bärenmarkt, also in einer Phase langfristig fallender Kurse.

Nach den stürmischen Kursgewinnen der 1980er-Jahre, in denen die Wiener Börse nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf vom US-Börsenguru Jim Rogers wachgeküsst worden war, waren die Bewertungen am Aktienmarkt noch recht ambitioniert. Allerdings war nicht nur der Anfangspunkt rückblickend ungünstig, auch das heurige Corona-Jahr 2020 war ein sehr schwieriges. Während andere Börsen die Kurseinbrüche des ersten Quartals relativ rasch wieder ausbügeln konnten, verzeichnete der ATX heuer ein 12,8-prozentiges Minus.

Folglich fällt auch die 30-Jahres-Bilanz des Wiener Leitindex durchwachsen aus. Mit einem Stand von knapp 2800 Zählern stieg der Kurswert der Indexfirmen in dieser langen Phase bloß auf das 2,8-Fache des Ausgangswerts. Allerdings stellt dies nur die halbe Wahrheit dar, schließlich schütten die Unternehmen auch regelmäßig Dividenden an die Aktionäre aus. Rechnet man diese Erträge dazu, kommen Anleger, die durchgehend in den ATX investiert waren, doch auf etwa eine Verfünffachung des Kapitals.

Rekord vor 13 Jahren

Nach dem holprigen Indexstart ging es in den 1990er-Jahren tendenziell seitwärts, die Musik spielte erst nach der Jahrtausendwende wieder an der Wiener Börse, die dank der Kursfantasie der EU-Osterweiterung die Investoren in Scharen anlockte. Jahr für Jahr purzelten die Rekorde, im Sommer 2007 wurde ganz kurzfristig sogar die Marke von 5000 Indexpunkten überschritten – ein Höchststand, der bis heute Bestand haben sollte.

Im Jahr darauf kochte die Finanzkrise nach der Lehman-Pleite so richtig über, und die Kurse stürzten auch in Wien in den Keller. Dass sie sich anschließend an anderen Börsen schneller und vor allem kräftiger erholten, lag nicht zuletzt an dem ungünstigen Branchenmix der in Wien notierten Unternehmen. Für den ATX wurden die hoch gewichteten Banken, die durch die Folgen der Krise und strengen Auflagen der Aufseher belastet waren, zur Indexbremse.

Dafür starteten Technologiewerte schon vor der Corona-Krise durch und verzeichneten heuer durch den Digitalisierungsschub einen wahren Höhenflug. Allein, an der Wiener Börse muss man Vertreter der Branche mit der Lupe suchen. Ein ziemliches Manko, das dem heimischen Aktienmarkt wohl auch noch in den nächsten Jahren anhaften wird. Alexander Hahn, 31.12.2020)