Christian Jungwirth, Geschäftsführer des maßgeblich von der Stadt Wien geförderten Community-Senders Okto TV.

Foto: Sebastian Philipp für OKTO Illustration: Armin Karner

Die Prognose von Okto-Geschäftsführer Christian Jungwirth

Was erwarten Sie 2021 für Österreichs Medienbranche? Was sind Ihre Hoffnungen und Wünsche, was Ihre Befürchtungen? derStandard.at/Etat hat Medienmanagerinnen und -manager, Journalistinnen und Journalisten sowie Expertinnen und Experten aus Österreichs Medien- und Kommunikationsbranche und -wissenschaft mit einem Online-Fragebogen um ihre Beiträge gebeten. Sie konnten wählen, ob sie namentlich antworten, wenn wir sie zitieren dürfen, oder anonym. Die namentlich beantworteten Fragebögen veröffentlichen wir in diesen Tagen.

"Seit Jahrzehnten vollkommen falsch ausgerichtete Medienpolitik"

Hier die Prognosen von Christian Jungwirth, Geschäftsführer des Wiener Communityfernsehens Okto:

Was kommt 2021 auf die Medienbranche zu? Bitte verraten Sie uns Ihre Erwartungen über Entwicklungen, Herausforderungen etc.!

"Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird auch das Jahr 2021 von der durch Covid-19 verursachten Ausnahmesituation geprägt sein. Diese Tatsache werden voraussichtlich die heimischen Boulevardzeitungen und der privat-kommerzielle Rundfunk als Argumentation für weitere Covid-19 Sondersubventionen gegenüber der Bundesregierung heranziehen.

Eine weitere mit der Pandemie begründete RTR-Sonderförderung von kommerziellen Medien muss vor allem auch vor dem Hintergrund der bereits beschlossenen überschießenden Sonderbudgets für PR- und Kommunikationsmaßnahmen der Regierung in Sachen Covid-19 als einzigartige Überförderung von kommerziellen Medienmarktteilnehmern gewertet werden.

Leider wird auch hier die seit Jahrzehnten vollkommen falsch ausgerichtete Medienpolitik Österreichs für die Zukunft prolongiert."

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) geschehen? Bitte verraten Sie uns Ihre Hoffnungen (und warum Sie darauf hoffen)!

"Vor dem Hintergrund der vielen unvorhergesehenen und ungeplanten Maßnahmen zur Unterstützung und Begünstigung des privat-kommerziellen Rundfunks und des Boulevards heuer ist die im türkis-grünen Regierungsübereinkommen vereinbarte Aufstockung der nicht-kommerziellen Rundfunkförderung in der RTR (NKRF) so schnell wie möglich in 2021 umzusetzen!"

Was sollte 2021 (aus Ihrer Sicht auf die Medienbranche) nicht passieren? Bitte verraten Sie uns Ihre Befürchtungen (und warum Sie das befürchten)?

"Weitere Förderungen auf einem vermeintlich freien Markt von kommerziellen Rundfunkunternehmen und (vermeintlich) 'unabhängigen' Boulevardzeitungen sind eine in jeder Hinsicht falsche Maßnahme. Insbesondere in der mittlerweile angedachten Höhe von Alimentationen (Förderungen + Anzeigen) führt diese Politik zu einer nachhaltigen Schädigung des gesamten Mediensektors in Österreich."

Wie werden sich Covid-19, die Pandemie und die Maßnahmen dagegen auf die Medienbranche auswirken – 2021 und, wenn Sie das erwarten, auch in den Jahren danach?

"In den Jahren nach 2021 nach Überwindung der weltweiten Pandemien ist mit einer noch stärkeren Globalisierungsdynamik in der weltweiten Medienwirtschaft zu rechnen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre werden erstmals auch asiatische Marktteilnehmer ihrem Übernahmeinteresse auch in Europa nachkommen."

"Genug öffentliche Mittel, um in jedem Fall überleben zu können"

Weitere Prognosen von Christian Jungwirth zu unseren Detailfragen im Überblick:

  • "Pandemiebedingt wird es in 2021 zu noch keinen gravierenden Veränderungen in den Eigentumsverhältnissen von großen heimischen Medienunternehmen kommen; aber in den Jahren danach ziemlich sicher", sagt der Manager von Okto TV voraus.
  • Jungwirth rechnet nicht mit Einstellungen relevanter Medien bis Jahresende, denn: "Sie bekommen ja genug öffentliche Mittel, um in jedem Fall überleben zu können, selbst wenn sie ohne Krise und ohne Förderung nicht weitergeführt hätten werden können."
  • Er erwartet neue Medien/medienrelevante Plattformen: "Im Bereich OTT bzw. Streaming-Plattformen kann mit Neuigkeiten gerechnet werden. Diese werde aber weniger wahrscheinlich aus dem Mediensektor hervorgehen, sonder aus der Telekom Industrie bzw. neuer Infrastrukturunternehmen."
  • Jungwirth erwartet 2021 weitere Corona-Sondermedienförderung, die geplante neue Digitalförderung – und auch er hofft auf Qualitätskriterien sowie Teilnahme an Branchenselbstkontrolle für Medienförderungen sowie öffentliche Werbebuchungen.
  • Der Okto-Manager rechnet mit der Wiederwahl von Alexander Wrabetz zum ORF-Chef und mit einem Avancement von Roland Weißmann, derzeit ORF-Vizefinanzdirektor und ORF-Player-Manager.
  • Was bekommen die Mitbewerber nach Jungwirths Erwartungen für die Lockerung der ORF-Onlinebeschränkungen? "Eventuell einen Player, der an der Bedürfnissen der übrigen Marktteilnehmern, und eventuell auch der Rezepienten vorbei geht."
  • Im Ranking der Pressefreiheit rechnet er, "obwohl selbst eher Optimist eher mit einer Verschlechterung".
  • Jungwirth über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten: "Die Verschwörungstheoretiker als ein trendendes Gesellschaftsphänomen haben durch die Pandemie einen noch nie da gewesenen (außer vielleicht zwischen dem 10. und 14 Jahrhundert in Europa) Aufschwung erlebt, der uns als der Aufklärung verpflichtete Medienmacher noch lange auf Trab halten werden."

(Harald Fidler, Daniela Yeoh, 2.1.2021)