Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium.

Foto: BMSGPK

Die Covid-19-Impfungen sind in Österreich angelaufen. Über das Feedback der Leserinnen und Leser des STANDARD sind zur Corona-Impfung viele Fragen aufgetaucht. Wir haben Maria Paulke-Korinek, die Leiterin der Impfabteilung im Gesundheitsministerium, gebeten, eine Auswahl davon zu beantworten:

  • Wer wird laut der österreichischen Corona-Impfstrategie wann mit welchen Impfstofflieferungen geimpft?

Die Impfstrategie mit einer schrittweisen Verimpfung ist deshalb notwendig, weil nicht von Beginn an genug Impfstoffe zur Verfügung stehen, um alle Personen, die sich impfen lassen möchten, gleichzeitig zu impfen. So sieht die Österreichische Impfstrategie in der ersten Phase vor, dass die ersten Impfungen jedenfalls Bewohnerinnen und Bewohner sowie Personal in Alten- und Pflegeheimen erhalten. Wir wissen, dass in diesem Bereich das höchste Risiko gegeben ist.

In einem weiteren Schritt soll das Personal im Gesundheitsbereich geimpft werden, insbesondere wenn ein hohes Infektionsrisiko besteht. Wichtig ist es auch, Hochrisikogruppen ehestmöglich zu erreichen, sobald genug Impfstoff verfügbar ist. In der 2. Phase sollen beispielsweise Personen höheren Alters geimpft werden und so wird man der Reihe nach die einzelnen Bevölkerungsgruppen impfen, bis alle geimpft sind, die geimpft werden möchten. Limitation ist dabei, dass für manche Impfstoffe die Lagerungsbedingungen sehr komplex sind und es sich bei den Impfstoffen, von denen wir derzeit sprechen, in allen Fällen um Mehrdosenbehältnisse handelt. So müssen neben medizinisch-fachlichen Überlegungen auch logistische Aspekte berücksichtigt werden.

  • Die Impfstrategie sieht klare Prioritäten vor. Ist dabei Raum für kurzfristige Änderungen des Ablaufs, etwa wenn in einem "Durchgang" Impfstoff übrigbleiben sollte? Oder wird dieser übriggebliebene Impfstoff dann für die nächste laut Plan vorgesehene "Runde" aufgehoben?

Es ist natürlich sehr wichtig, dass zuerst die Personen geimpft werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere Krankheitsverläufe oder den Tod haben, und Personen mit besonders hohem Infektionsrisiko. Darum gibt es auch die medizinisch-fachliche Priorisierung des Nationalen Impfgremiums, welche in der Umsetzung bestmöglich berücksichtigt werden soll.

Wegen logistischen Rahmenbedingungen ist dies jedoch nicht immer und lückenlos möglich. So muss man bedenken, dass beispielweise bei dem derzeit verfügbaren Impfstoff aufgetaute Impfstoffe innerhalb von fünf Tagen verwendet werden müssen. Wenn der Impfstoff mit dem notwendigen Natriumchlorid angefertigt wurde, so müssen diese Mehrdosenbehältnisse sogar innerhalb von sechs Stunden verimpft werden. Darum dürfen die Impfstoffe auch nur für fix vergebene Impftermine bestellt und ausgeliefert werden. Wenn nun eine einzelne Person den vereinbarten Termin nicht wahrnimmt, etwa wegen einer kurzfristigen Erkrankung, so soll dieser Impfstoff natürlich dennoch verwendet werden.

Es wäre in keiner Weise vertretbar, dieses kostbare Gut, das Leben retten kann und so begrenzt verfügbar ist, zu vernichten. In derartigen Situationen ist es also notwendig, sicherzustellen, dass auch dieser Impfstoff verwendet wird, er kann nicht länger als wenige Stunden aufgehoben werden. Wenn es nicht möglich ist, diesen an eine Person der zu impfenden Zielgruppe zu verabreichen, so kann dieser in Ausnahmefällen auch an eine Person einer anderen Zielgruppe (idealer Weise entsprechend der medizinischen Priorisierung) verimpft werden. Die muss jedoch auf die beschriebene Ausnahmesituation beschränkt bleiben, alles andere wäre aus meiner Sicht sehr schwer vertretbar.

  • Wann und wie wird es Anmeldemöglichkeiten für die Impfung geben?

Nachdem anfangs im Jänner nicht ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen, um alle Menschen gleichzeitig zu impfen, werden zuerst Bewohnerinnen und Bewohner sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen geimpft. Dort ist das Risiko, an einer COVID-Infektion schwer zu erkranken oder zu sterben, am größten.

Abhängig von der weiteren Verfügbarkeit der Impfstoffe werden danach schrittweise weitere Zielgruppen geimpft, wie etwa Gesundheitspersonal mit besonders hohem Infektionsrisiko, Personen von definierten Risikogruppen und Personen höheren Alters. Eine ausdrückliche Anmeldung zur Impfung ist derzeit wegen limitierter Verfügbarkeit an COVID-19-Impfstoffen in der Phase 1 der Umsetzung der COVID-19-Impfstrategie erst an ausgewählten Stellen möglich, diese wurden bereits kontaktiert.

  • Ist die Strategie flexibel genug, um etwa im Fall einer starken Fallzunahme in einzelnen Bevölkerungsgruppen oder Regionen gezielt zu impfen?

Die Strategie zielt genau darauf ab, die Personengruppen zuerst zu impfen, in denen das Risiko besonders hoch ist. Natürlich könnte man dabei theoretisch auch auf geographische Regionen fokussieren, aber in der momentanen epidemiologischen Situation erscheint dies nicht sinnvoll.

Derzeit ist eher das Thema, dass noch nicht genug Impfstoff verfügbar ist, um alle gleichzeitig zu impfen. Die Lieferpläne sehen jedoch vor, dass sich die Situation – vorausgesetzt der notwendigen Zulassungen – in wenigen Monaten entspannen wird.

  • Wie schnell könnten Impfdosen nachgeliefert werden, sollte sich ein Engpass abzeichnen?

Wir haben derzeit nicht so viele Dosen, wie wir gerne hätten, aber wie gesagt, die Situation sollte sich in den nächsten Monaten entspannen, wenn mehrere Impfstoffe zugelassen und ausgeliefert werden.

  • Würde die Impfstrategie im Fall einer "dritten Welle" geändert?

Die Impfstrategie sieht vor, dass jedenfalls die Personen geimpft werden, die ein besonders hohes Risiko für schwere Krankheitsverläufe oder den Tod haben, und Personen mit besonders hohem Infektionsrisiko.

Bei steigenden Fallzahlen ist das wichtigste, dass wir unsere Strategie nach Maßgabe der verfügbaren Impfstoffe schnellstmöglich umsetzen. Jede Person, die geimpft ist, ist eine Person weniger, die erkrankt, hier zählt wirklich jede und jeder einzelne.

  • Wieso impft Österreich im Vergleich zu anderen Ländern (z.B. Israel) langsamer? Sind die zu erwartenden Lieferungen zu klein? Mangelt es an der Logistik?

Die Logistik ist voll aufgestellt, sodass alle Impfstoffe ausgeliefert werden können, die bestellt werden. Österreich wird in der gleichen Geschwindigkeit mit Impfstoffen beliefert, wie alle anderen EU-Länder auch, und so wurde auch gemeinsam in der EU am 27.12.2020 mit dem Impfen begonnen.

Die Strategie in 3 Phasen ist deshalb notwendig, weil zu Beginn nicht Impfstoff für alle gleichzeitig verfügbar ist. Das wurde auch von Beginn an so kommuniziert und ist auch in den anderen Ländern der EU so. Die gute Nachricht ist, dass wir sicherstellen konnten, dass letztendlich für alle Menschen, die sich impfen lassen möchten, genug Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Für einige Personengruppen kann dies noch etwas dauern, aber letztendlich wird genug da sein.

  • Wann wird man in Österreich Verbesserungen der Infektionssituation aufgrund der Impfungen merken?

Es wäre sehr unseriös, hier eine fixe Prognose abzugeben, weil wir einiges zum Impfstoff noch nicht zu 100 Prozent wissen, wie etwa die Frage, ob der Impfstoff neben dem Selbstschutz auch bewirkt, dass die Übertragung vermieden wird. Auch ist schwer abschätzbar, wie sich die epidemiologische Situation, die ja auch von anderen Einflussfaktoren abhängt, allgemein weiterentwickelt.

Prinzipiell kennen wir ja von den meisten Infektionskrankheiten ein wellenartiges Auftreten, das von vielen Faktoren beeinflusst wird. Bestes Beispiel dafür sind die Masern, wo wir wissen, dass es zu Ausbrüchen kommt, sobald das Virus auf eine Gruppe nicht geschützter Personen trifft.

  • Wann wird Evidenz darüber existieren, ob die Impfungen auch die Weitergabe des Virus von einer geimpften Person auf eine anderen hintanhalten?

Man kann annehmen, dass geimpfte Personen auf Grund einer geringeren Viruslast weniger infektiös sind. Abgeleitet von präklinischen Daten gehen wir davon aus, dass es auch durch COVID-19-Impfungen zu einer geringeren Virustransmission kommt, obwohl dies derzeit noch nicht klinisch belegt ist. Ich hoffe, dass es hierzu in den nächsten Monaten eine bessere Evidenzlage gibt.

  • Kann ich mir den Impfstoff aussuchen?

Prinzipiell sind COVID-19-Impfungen freiwillig. Auf Grund der Eigenschaften der Impfstoffe werden die Impfstoffe voraussichtlich in unterschiedlichen Settings angeboten werden. Es wird beispielsweise voraussichtlich logistisch schwierig sein, einen Impfstoff, der bei ca. -70°C gelagert werden muss, im niedergelassenen Bereich flächendeckend anzubieten. Das ist bei Impfstoffen, die bei Kühlschranktemperaturen gelagert werden, eine ganz andere Situation. Darüber hinaus hängt es davon ab, in welchen Mengen die einzelnen Impfstoffe verfügbar sind. Wichtig ist für uns derzeit, dass wir sicherstellen können, dass alle einen Zugang zu einem Impfstoff haben, die sich impfen lassen möchten. Wir können außerdem davon ausgehen, dass jeder Impfstoff, der in der EU eine Zulassung bekommt, hoch effektiv und sicher ist.

  • Viele Menschen machen sich wegen möglicher Nebenwirkungen der Impfstoffe Sorgen: Was weiß man in Österreich bei den schon geimpften Personen darüber?

Mit 30.12.2020 ist mir nicht bekannt, dass eine offizielle Meldung einer vermuteten Nebenwirkung an die in Österreich zuständige Behörde gemeldet worden wäre. Dabei möchte ich betonen, dass beispielsweise Ärztinnen und Ärzte ja sogar gesetzlich verpflichtet sind, es zu melden, wenn eine Nebenwirkung auf ein Arzneimittel vermutet wird und die Awareness der Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich ist sehr hoch.

  • Unterscheiden sich die Nebenwirkungen bei den verschiedenen Präparaten voneinander – Biontech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca?

Um dies abschließend zu beurteilen wäre es notwendig, eine Vergleichsstudie mit allen drei Präparaten gleichzeitig zu machen, weil letztendlich das Setting und die Methode der Erfassung in jeder einzelnen Studie doch etwas abweicht und man so einzelne Studien rein in Bezug auf Nebenwirkungen schwer 1:1 vergleichen kann. Prinzipiell treten auch nach der Impfung gegen COVID-19, wie nach allen anderen Impfungen, oft Reaktionen auf den Impfstoff auf, die gewöhnlich innerhalb weniger Tage von selbst wieder enden. In dem Fall vielleicht etwas häufiger. Im Grunde genommen bedeuten derartige, vorübergehende Reaktionen, dass sich das Immunsystem mit dem Impfstoff auseinandergesetzt hat und man kann davon ausgehen, dass dann ein guter Schutz ausgebildet wird.

Neben lokalen Beschwerden und Allgemeinsymtomen können, wie bei andern Impfstoffen auch, allergische Reaktionen auftreten, wobei Personen mit bekannten Allergien beispielsweise gegen Aeroallergene wie Pollen oder Hausstaub geimpft werden können und sollen. Im Aufklärungsgespräch mit der Ärztin oder dem Arzt sollen etwaige Allergien adressiert werden und der Allergie-Ausweis mitgebracht werden, die Information zu möglichen Allergenen enthält die Fachinformation (Zusammensetzung) des entsprechenden Impfstoffes. Bei Impfung von Allergikerinnen und Allergikern soll die Nachbeobachtungszeit bis zu 30 Minuten verlängert werden.

  • Laut Berichten aus den Testphasen waren die Nebenwirkungen nach der zweiten Teilimpfung in manchen Fällen stärker. Schätzen sie das auch so ein? Welche Nebenwirkungen sind nach der zweiten Teilimpfung zu erwarten?

An der Impfstelle können sehr häufig Schmerzen, Rötung und Schwellung auftreten. Darüber hinaus kann es sehr häufig zu Müdigkeit, Kopf-, Muskel- oder Gelenksschmerzen, Lymphknotenschwellung, Übelkeit/Erbrechen, Frösteln oder Fieber kommen. Sehr häufig bedeutet, dass mehr als 1 von 10 geimpften Personen betroffen sind. Die Nebenwirkungsrate war bei der 2. Dosis teils höher. Wichtig ist, dass die Menschen, die geimpft werden, über diese möglichen Impfreaktionen informiert werden, damit sie wissen, dass man damit rechnen muss und dies zu erwarten ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie verunsichert werden und sich nicht trauen, die zweite Impfung zu holen, obwohl diese für den gewünschten Schutz unabdingbar ist.

  • Wann wird es Impfungen für Kinder geben?

Der Fokus wird zunächst daraufgelegt, diejenigen zu schützen, die am schwersten an COVID-19 erkranken oder versterben und das sind in erster Linie Erwachsene und insbesondere Personen höheren Alters. Darum wurden zu Beginn auch ausschließlich Erwachsene und Personen höheren Alters in Impfstudien aufgenommen. Wenn ausreichend Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit der Impfstoffe bei Erwachsenen zur Verfügung stehen, so werden teils weitere Studien geplant werden, in die auch Kinder eingeschlossen werden. Sollten Impfstoffe für Kinder zugelassen werden, so wird es sich vermutlich um dieselben Impfstoffe handeln, welche auch bei Erwachsenen eingesetzt werden, möglicherweise in einer anderen Dosierung. In Abhängigkeit von den Eigenschaften des jeweiligen Impfstoffes, der Fachinformation und der epidemiologischen Situation wird das Nationale Impfgremium eine Empfehlung aussprechen, wie mögliche Impfstoffe bei Kindern einzusetzen wären, wenn diese für Kinder zugelassen sind.

  • Wann kehren wir wieder zu einem normalen Leben ohne große Einschränkungen zurück? Im Sommer oder im Herbst?

Dies hängt unter anderem von der Annahme und Akzeptanz der Impfung und dem Verhalten von uns allen ab. Die Situation wird sich dann bessern, wenn genügend Menschen geimpft sind, und hier kommt es letztendlich auf jede und jeden einzelnen von uns an. (red, 1.1.2021)