Drei Millionen Impfdosen hat Israel im Jänner zur Verfügung. Mitte des Monats werden die verbraucht sein – und dann ist auch dort vermutlich bis Februar Pause.

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Die Unterschiede werden zunehmend augenscheinlich. Zehn Prozent seiner Bevölkerung hat Israel, das so wie Österreich etwa neun Millionen Einwohner hat, seit Beginn der Corona-Impfkampagne Mitte Dezember zumindest schon teilimmunisiert. So viele Menschen nämlich, mehr als eine Million in absoluten Zahlen, haben die erste von zwei Teilimpfungen erhalten. In der EU hält man in den meisten Staaten indes bei einigen Zehntausend Personen – in Österreich derzeit wohl noch weniger.

Freilich: Israel hat, wie es Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwochabend in der "ZiB 2" ausdrückte, auch "aufs richtige Pferd gesetzt" und sich vor allem beim letztlich am schnellsten erfolgreichen Unternehmen Biontech/Pfizer mit Impfdosen eingedeckt – eine Wette, die auch hätte schiefgehen können. Und: Auch dort gerät man langsam in Probleme. Hält die derzeitige Impfgeschwindigkeit von 150.000 Dosen pro Tag an, werde man Mitte Jänner eine Pause einlegen müssen, teilte der Gesundheitsminister Yuli Edelstein am Donnerstag israelischen Medien mit – denn dann würde erst wieder im Februar eine Lieferung der Vakzine in seinem Land ankommen.

"Wundern" über die EU

Dennoch: Eine Impfrate von zehn Prozent – davon kann man in der EU, die die Impfstoffe zentral für ihre Mitglieder bestellt, derzeit nur träumen. Darüber, ob die Union bei der Bestellung zu zögerlich war, wird seit einer vielbeachteten "Spiegel" -Geschichte in der vergangenen Woche diskutiert. Nun hat sich auch Biontech-CEO Uğur Şahin, der von mehr EU-Bestellungen freilich profitiert hätte, in einem gemeinsamen Interview mit seiner Geschäfts-, Forschungs- und Lebenspartnerin Özlem Türeci zur Causa geäußert. Ihn habe es schon "gewundert", sagt er dem "Spiegel", wie wenig Druck die Union in den Verhandlungen gezeigt habe. "Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm." Die Union habe sich seiner Ansicht nach darauf verlassen, einen Korb aus Impfstoffen verschiedener Hersteller zu haben. Als dann klar geworden sei, dass nicht alle früh liefern könnten, sei es zu spät gewesen, bei den Spitzenreitern noch nachzubestellen.

Der Standard / Fatih Aydogdu

Immerhin, das sagt auch Şahin, werde es für die EU genug Impfstoff geben. Nur: wann, das sei noch offen. Biontech und der US-Partner Pfizer würden sich bemühen, rasch zusätzliche Kapazitäten aufzubauen – ob und wie schnell das gehe, sei aber offen. Am Freitagabend teilte Şahin der Deutschen Presse-Agentur mit, dass sich sein Unternehmen in "fortgeschrittener Diskussion, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können" mit der EU befinde. Zum "Spiegel" sagt er über die aktuelle Situation: "Momentan sieht es nicht rosig aus. Es entsteht ein Loch, weil weitere Impfstoffe fehlen."

Einer jener Impfstoffe, auf den die EU und Österreich besonders gesetzt hatten, ist jener des Unternehmens Astra Zeneca. Dieser hatte lange als Favorit für eine schnelle Zulassung gegolten, fiel dann nach einigen Ungereimtheiten bei Studien zurück. In der EU wird frühestens mit einer Zulassung im Februar gerechnet – und Österreichs Impfstrategie baut derzeit auch darauf auf, dass es dann so weit ist.

Vorgeprescht ist am Mittwoch das Vereinigte Königreich. Dessen Zulassungsbehörden erteilten eine Notfallerlaubnis zum Einsatz des Serums. Und sie veränderten auch gleich die Impfstrategie: Nicht, wie bisher geplant, drei bis vier Wochen sollen zwischen den Impfungen liegen, sondern drei bis zwölf.

Briten strecken Impfdosen

Das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es offenbar Forschungsdaten, die nahelegen, dass sich die Wirkung des Astra-Zeneca-Vakzins verstärkt, wenn ein größerer Abstand zwischen den beiden Teilimmunisierungen liegt. Zum anderen ist es aber auch die Not: In Großbritannien werden derzeit fast täglich neue Infektionshöchststände vermeldet, zuletzt waren es mehr als 50.000 positive Befunde pro Tag.

Das, so sagen es die britischen Gesundheitsbehörden, liegt auch an der neuen Variante des Coronavirus. Eine um 50 Prozent erhöhte Ansteckungsrate weist der neuen Virusvariante Studie um Studie aus. Davon, dass sie sich auch in der EU ausbreitet, wird ausgegangen. Wurde von engen Kontakten bisher nur jeder Zehnte angesteckt, ist es nun knapp jeder Siebte. London will daher so schnell wie möglich einer großen Zahl an Impflingen zumindest eine Dosis verabreichen. Damit ist zwar weniger Schutz verbunden – aber zumindest, so meint man, genug, um die Zahl schwerer Fälle zu senken. Die Maßnahme betrifft sowohl das Serum von Astra Zeneca als auch das von Biontech.

Dass die Impfung gegen die neue Variante überhaupt wirkt, ist nicht letztgültig erwiesen, gilt aber als wahrscheinlich. Der Forscher Florian Krammer, Mitglied des Corona-Fachrates des STANDARD, warnt aber auf Twitter vor neuen Mutationen. Werde nur die erste Teilimpfung verabreicht, führe das zu einer schwachen Antikörperbildung. Das könne dann neue Mutationen begünstigen – solche, gegen die diese Impfung nicht mehr helfen würde. (Manuel Escher, 1.1.2021)