Gesundheitsminister Rudolf Anschober

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Mal sehen, wie kompetent und organisiert bei uns das Impfen durchgeführt wird. Gesundheitsminister Rudolf Anschober spricht von einer "dezentralen" Vorgangsweise. Wenn das heißt, dass wieder jeder vor sich hin werken darf, dann ist es Zeit, sich Sorgen zu machen.

Österreich hat 6000 Menschen geimpft. Israel hat ungefähr so viele Einwohner wie Österreich und hat bereits fast eine Million Personen geimpft. Das lag hauptsächlich daran, dass der ziemlich autokratisch agierende – und von schlechter Maßnahmendisziplin in der eigenen Bevölkerung getriebene – Regierungschef Benjamin Netanjahu sozusagen im Alleingang früh große Mengen des teureren Biontech-Pfizer-Impfstoffs bestellte. Österreich hingegen setzte auf den billigeren Impfstoff von Astra Zeneca, der in der EU nicht vor Ende Jänner zugelassen werden soll.

Hü-hott-Politik

Österreich ist bisher allen Behauptungen der türkisen Propagandamaschinerie zum Trotz nicht besser als andere durch die Krise gekommen. Die vergleichsweise sehr hohe Zahl der Todesfälle, die Hü-hott-Politik zwischen erstem hartem Lockdown, "Wir haben die gesundheitlichen Probleme überstanden" (Sebastian Kurz im Juni), und spätem zweitem Lockdown, drittem Lockdown mit Ausnahmen für das Weihnachtsgeschäft und die Seilbahnenklientel mit entsprechenden Folgen (schon wieder fast 3000 Neuinfektionen pro Tag) – das alles wird von der Öffentlichkeit noch zu geduldig hingenommen.

Ein großer Teil der Massen-, aber auch der Qualitätszeitungen ist auffällig regierungsfromm. Im ORF gibt es Inseln der kritischen Berichterstattung und Befragung, der Rest ist nur noch peinlich.

Die Opposition? Die FPÖ ist endgültig im Querulanteneck gelandet. Bei der SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner hat man manchmal das Gefühl, sie hofft auf einen fliegenden Koalitionswechsel durch Kurz, der die Grünen loswerden und die SPÖ als kleineren Koalitionspartner will. Aber wenn Sebastian Kurz dann tatsächlich seine dritte Regierung gesprengt hätte und bei seinem dritten Koalitionspartner angelangt wäre, hat er jede Kanzlereignung verspielt. Die Neos machen in Sachen Corona scharfe Oppositionspolitik und kritisieren die richtigen Dinge, bringen aber (noch?) zu wenig Gewicht auf die Waage.

Es gibt zwei Grundprobleme im Corona-Management von Türkis und Grün. Sebastian Kurz versucht, nur mit einer kleinen, ideologisch hochmotivierten Truppe zu regieren. Das Ziel ist, eine hochkonservative Agenda durchzusetzen und ad maiorem Basti gloriam zu werken. Das ist, in Kombination mit großteils schwachen Fachminister(inne)n, zu wenig für das Management der größten Krise seit 1945.

Grüne verzetteln sich

Die Grünen wiederum verzetteln sich. Werner Kogler kann im öffentlichen Auftritt nicht das Ziel und den Weg dorthin einfach und verständlich erklären. Rudolf Anschober kann es, aber er hemmt sich selbst in seinen Entscheidungen. Er will aus seiner Natur heraus möglichst viele unterschiedliche (Experten-)Meinungen hören. Dabei vertraut er immer noch auf Experten, die sich bereits gründlich diskreditiert haben. So kommt ein unentschlossener, vager Kurs zustande.

Es hapert im Mikromanagement – Warum haben nicht schon längst alle Lehrer FFP2-Masken? – und auch bei Grundsatzentscheidungen. Dass man von einer nie dagewesenen Situation anfangs überfordert ist, kann vorkommen.

Aber es dauert schon zu lange. Jetzt warten wir auf einen detaillierten und klaren Impfplan. Wird das bald etwas? (Hans Rauscher, 1.1.2021)

hans.rauscher@derStandard.at