Italien ist von der Krise schwer getroffen. Jetzt wird Bürgern und Firmen großzügig geholfen.
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"Fritto misto": So hat der angesehene Corriere della Sera den Staatshaushalt 2021 definiert, der in diesen Tagen von den beiden Parlamentskammern genehmigt worden ist.

Auf dem in Italien so beliebten Teller mit gemischten frittierten Speisen ist für alle etwas da: Zuschüsse und Kaufprämien für Fahrräder, Elektroroller, Kühlschränke, Fernseher, Brillen, Autos, Gebäudesanierungen, Möbel, Tablets und Smartphones, und daneben Kurzarbeitergeld für Angestellte, Lohnersatz für Selbstständige, Steuererleichterungen in Süditalien und vieles mehr.

Hinzu kommt die Weiterführung der bereits im Weihnachtsverkauf begonnenen Aktion "Cashback", bei welcher der Staat zehn Prozent der täglichen Einkäufe zurückerstattet, sofern mit Kredit- oder Bankkarte bezahlt wurde. Mit der Maßnahme soll die Steuerhinterziehung erschwert werden.

Krise trifft das Land schwer

Viele der im neuen Staatshaushalt enthaltenen Maßnahmen dienen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, die Italien schwer getroffen hat. Unter anderem sollen im kommenden Jahr auch 3000 Ärzte und 12.000 Krankenpfleger zusätzlich angestellt werden, um die Impfkampagne bewältigen zu können. Allerdings: Die ganzen staatlichen Wohltaten erfolgen auf Pump: Das Haushaltsloch wird im kommenden Jahr voraussichtlich rund 140 Milliarden Euro betragen, also etwa sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Im zu Ende gehenden Jahr war das Defizit sogar noch höher ausgefallen: Insgesamt vier Covid-Hilfspakete der Regierung hatten den Fehlbetrag auf 180 Milliarden oder elf Prozent des BIP hochschnellen lassen. Ende 2020 ist die Staatsverschuldung auf den Rekordstand von fast 2600 Milliarden oder 159 Prozent des BIP geklettert. Vor der Pandemie betrug sie noch 135 Prozent.

Angesichts der Nonchalance und der demonstrativen Sorglosigkeit, mit der die nationalen Politiker die explodierenden Defizite und die mitunter recht populistisch anmutenden Maßnahmen beschlossen haben, spricht der frühere Sparkommissar und IWF-Ökonom Carlo Cottarelli von einer regelrechten "Defizit-Euphorie" in Regierung und Parlament.

Er zeigt zwar Verständnis dafür, dass sich die Exekutive von Giuseppe Conte angesichts der massiven wirtschaftlichen Einbrüche infolge der Pandemie für einen expansiven Staatshaushalt entschlossen habe – auch die anderen Staaten täten dies. Gleichzeitig weist Cottarelli aber darauf hin, dass nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum nicht durch einmalige Konsumausgaben erzielt werde, sondern nur durch Reformen.

Außerdem erinnert er daran, dass die extrem hohe Verschuldung einzig wegen der derzeit tiefen Zinsen tragbar sei. Diese Situation könne sich jederzeit ändern.

Carlo Cottarelli ist nicht der Einzige, der sich wegen der stark ansteigenden Verschuldung Sorgen macht. Auch in vielen Staatskanzleien der EU beginnt man sich allmählich zu fragen, ob und wie Italien diesen drückenden Berg an Verbindlichkeiten dereinst wieder abtragen will.

Geldsegen aus Brüssel

In Rom selber vertraut man in erster Linie auf den Milliardensegen aus dem Recovery Fund der EU: Mit den 209 Milliarden Euro, die Brüssel für Italien reserviert hat, könne das Land modernisiert und fit für die Zukunft gemacht werden, verspricht Premier Conte. Sein Staatssekretär Riccardo Fraccaro von der Fünf-Sterne-Protestbewegung hatte dagegen im Herbst die Finanzmärkte mit dem Vorschlag eines Schuldenschnitts verschreckt: Fraccaro hatte die Europäische Zentralbank (EZB) gebeten, die von ihr gekauften Staatsschulden zu streichen oder ihre Laufzeit auf unbegrenzte Zeit zu verlängern.

Einstieg bei Unternehmen

Auf einem problematischen Weg befindet sich die italienische Regierung laut vielen Experten auch mit ihrer Neigung, immer mehr Unternehmen oder auch gleich ganze Branchen unter staatliche Kontrolle zu bringen.

So hat der italienische Staat in den letzten Wochen eine neue Fluggesellschaft gegründet, welche im April die seit zwei Jahren unter Zwangsverwaltung stehende, zahlungsunfähige Alitalia übernehmen soll. Kosten für den Steuerzahler: rund drei Milliarden Euro.

Kurz vor Weihnachten ist der Staat auch beim Stahlkonzern Arcelor-Mittal eingestiegen, der im süditalienischen Taranto die Ilva, das größte und wohl marodeste Stahlwerk Europas, betreibt. Nach mehreren Bankenrettungen hält das Finanzministerium auch Kontrollbeteiligungen an großen Finanzinstituten wie der Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) oder der Carige in Genua. (Dominik Straub, 2.1.2021)