Gerade einmal drei Jahre ist die letzte Reform der Privatinsolvenzen in Österreich her – und auch schon wieder hinfällig. Im Herbst 2017 trat der Privatkonkurs neu in Kraft, der statt der ursprünglich vorgesehen Verkürzung der Verfahrensdauer von sieben auf drei Jahre letztlich nur eine auf fünf Jahre brachte. Ein typisch österreichischer Kompromiss, aus Sicht der EU jedoch ein fauler: Sie verabschiedete nämlich eineinhalb Jahre später die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, die unter anderem eine dreijährige Dauer für Privatkonkurse als Folge unternehmerischer Tätigkeit vorsieht.

Somit muss bis Mitte dieses Jahres ein neues Konkursrecht her, wobei wie bei der letzten Reform der Umgang mit Privatpleiten für Nicht-Unternehmer zum Zankapfel wird. Die EU lässt offen, ob auch bei anderen Pleitegründen die dreijährige Frist anzuwenden ist – ihr geht es vor allem um ein vereinheitlichtes Insolvenzrecht für gescheiterte Unternehmer, damit es deshalb zu keinem Standortwettbewerb innerhalb der Union kommt.

Wegen der Corona-Krise haben sich die eröffneten Insolvenzverfahren für Private aufgestaut. Nun muss bis Mitte Juli wegen einer EU-Vorgabe auch noch ein neues Konkursrecht her.
Foto: Imago/Weber

Die Gläubigerschützer vom KSV 1870 machten sich schon bei der letzten Reform für ein Auseinanderdividieren nach Pleitegründen stark – und tun es auch diesmal. Insolvente Selbstständige sollen eher mit Samthandschuhen angefasst werden, um nicht Firmengründer aus Angst vor den Folgen des Scheiterns abzuschrecken. "Die Möglichkeit einer rascheren Entschuldung von redlichen Unternehmern sowie ein damit verbundener Neustart nach drei Jahren wären ein wesentlicher Eckpfeiler, um Österreich als einen Top-Player der internationalen Wirtschaftsszene nachhaltig zu etablieren", erklärt KSV-Vorstand Ricardo-José Vybiral.

Bumerang für Verbraucher

Anders steht sein Haus einer Verkürzung der Verfahrensdauer auf drei Jahre für alle Privatinsolvenzen gegenüber, was "gesellschaftspolitisches Harakiri" wäre. Konsumenten werde eine durch erneut verkürzte Entschuldungsdauer suggeriert, man müsse kaum Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, da selbst verursachte Konsumschulden "relativ leicht" wieder loszuwerden seien. Zudem könne dies für Verbraucher zu einem Bumerang werden, da die Vergabe von Krediten für Haushalte stark zurückgehen könnte. Allein, vor der letzten Reform hatte der KSV davor gewarnt, dass Kredite deshalb teurer würden – dazu gekommen ist es allerdings nicht.

Eine andere Sicht der Dinge haben Schuldnerberater, die auch stets die Auswirkungen von Überschuldung und Armut auf die Psyche der Betroffenen im Auge haben und auch auf deren Kinder, die – wortwörtlich – unverschuldet darunter zu leiden haben. Clemens Mitterlehner, Chef der Dachorganisation ASB Schuldnerberatungen, spricht sich daher für eine einheitliche Behandlung aller Betroffenen aus unabhängig davon, warum sie in die Überschuldung geschlittert sind.

Zudem kommt die Neuauflage der Diskussion über die Reform der Privatpleiten zu Unzeit, da sich im Corona-Jahr 2020 bereits ein Rückstau angesammelt hat. Mit gut 7.400 erwarteten Verfahrenseröffnungen liegt der Wert um mehr als ein Fünftel unter dem Normaljahr 2019 – vor allem wegen des weitgehenden Stillstands während des ersten Lockdowns und Maßnahmen wie ein gesetzliches Stundungsrecht von Kreditzahlungen. Allerdings verweist Mitterlehner auf eine Warnung der Finanzmarktaufsicht, wonach ein Großteil der gestundeten Kredite notleidend sei. Sprich, obwohl 2020 weniger Konkurse eröffnet wurden, sind mehr Personen in finanzielle Schieflage geraten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Verschlechterung der Einkommenssituation, etwa durch Arbeitslosigkeit oder zuletzt auch Kurzarbeit, ist mit etwa 30 Prozent der Fälle Hauptgrund für private Überschuldung.
Foto: Getty Images

Mitterlehner erwartet heuer eine weitere Verschärfung, er rechnet künftig mit dauerhaft zwischen 450.000 bis 500.000 Arbeitslosen in Österreich. Eine Verschlechterung der Einkommenssituation, etwa durch Arbeitslosigkeit oder zuletzt auch Kurzarbeit, sei mit etwa 30 Prozent der Fälle nämlich der Hauptgrund für private Überschuldung. Erst danach folgen mit 22 Prozent Schulden aus gescheiterter Selbstständigkeit.

Reform löst Rückstau aus

Schlagend werden diese Probleme frühestens ab Februar, sofern das bis Ende Jänner laufende Stundungsrecht nicht verlängert wird. Ob die Pleitewelle heuer so richtig ins Rollen komm oder erst 2022, kann Mitterlehner kaum vorherzusagen – da mit der anstehenden Reform ein weiterer Unsicherheitsfaktor in Spiel kommt. Schon die Aussicht auf Erleichterungen der 2017er-Reform ließ die Anzahl der Insolvenzen im Vorfeld einbrechen, um danach in die Höhe zu schnellen – ein Effekt, der sich nun wiederholen könnte.

Diesmal werde es Jahre dauern, um den Stau an Privatpleiten abzubauen. Er fordert daher in der Krise ein einheitliches Konkursrecht mit breiten Zugang. "Aber diese Diskussion hätten wir uns auch ersparen können", sagt Mitterlehner mit Blick auf den Kompromiss von 2017.

Wegen der Corona-Krise haben sich die eröffneten Insolvenzverfahren für Private aufgestaut. Nun muss bis Mitte Juli wegen einer EU-Vorgabe auch noch ein neues Konkursrecht her. (Alexander Hahn, 3.1.2021)