Wenn wir es schaffen, positive Assoziationen zur beruflichen Ausbildung zu vermitteln, können wir die Vorbehalte gegen den Begriff "Lehre" umgehen.

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Unsere Politiker werden nicht müde, über die Vorzüge des dualen Ausbildungssystems "made in Austria" zu reden. Dass der Volkspartei, egal in welcher Farbe, der Fachkräftebedarf in der Wirtschaft naheliegt, ist ebenfalls verständlich. Aber ist die ständige Betonung, dass wir eines der besten, wenn nicht gar das beste Ausbildungssystem der Welt haben, wirklich immer ein Vorteil? Oder kann das auch dazu führen, dass wir andere Beispiele gar nicht mehr wahrnehmen und auch nicht mehr bereit sind, etwas zu verbessern?

Da wäre einmal das ewige Dilemma mit dem Image der Lehre. Mit einem Lehrabschluss steht man irgendwann an, also ist die Akademikerlaufbahn attraktiver. Dieses Bild ist für viele Eltern sehr präsent. Neben den wichtigen Modernisierungen der Lehrberufe wäre es auch an der Zeit, über eine Modernisierung des Systems insgesamt nachzudenken. Zum Beispiel, indem man Möglichkeiten schafft und zeigt, welche (Aus-)Bildungsmöglichkeiten neben und nach einer Lehre in einer Fachkarriere bestehen.

Ein Blick über die Ländergrenzen

In Deutschland ist das System des dualen Studiums inzwischen für viele Berufsgruppen etabliert. Damit spricht man natürlich andere Zielgruppen an. Aber der Nebeneffekt ist auch, dass man aufzeigt, welche Entwicklungsmöglichkeiten es in Fachbereichen gibt. Ein duales Studium zum Bachelor Handelsmanagement macht sichtbar, dass es auch im Handel große Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Es geht dabei nicht darum, die Lehre zu ersetzen. Sondern vielmehr darum, dass wir mit solchen Angeboten den Bereich der Fachkräfte und damit indirekt das System Lehre stärken.

Öffentliche Anerkennung und Wertschätzung ist ein weiterer Punkt, der zur Imagesteigerung beiträgt. Hier ist die Berechtigung zur Führung des Meistertitels ein wichtigerer Schritt, als er öffentlich wahrgenommen wird. Eines der beeindruckendsten Beispiele für Wertschätzung findet sich in Liechtenstein. Dort werden seit 1974 die besten Lehrabsolventen geehrt, indem sie ins Golden Buch der Berufsbildung eingetragen werden. Die Zeremonie findet jährlich unter Anwesenheit des Erbprinzen auf Schloss Vaduz statt. Die erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen werden im Anschluss vom Erbprinzen zu einem Galadinner geladen. Solche Beispiele würden der öffentlichen Wahrnehmung der dualen Ausbildung in Österreich guttun.

(K)Ein Zusammenschluss auf Bundesebene

Aber auch in Bundesländern wie Vorarlberg und Tirol gibt es gute Beispiele, die, aus welchen Gründen auch immer, den Sprung in den Osten nicht schaffen. Da wäre das Ausbilderforum Tirol. Eine Kooperation von Land Tirol, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und ÖGB, die seit 20 Jahren als Servicestelle für alle Ausbilder im Land agiert. Mehrfach wurde versucht, dieses Konzept den östlichen Bundesländern zu empfehlen. Gehört hat man auf die Vorbilder aus Tirol aber eher in Südtirol und Bayern. Zwar gibt es das private Netzwerk lehrlingspower.at mit Schwerpunkt Wien, NÖ, OÖ und Steiermark, aber ein offizieller Zusammenschluss auf höchster Ebene hätte noch einmal deutlich mehr Kraft und Bedeutung.

Ein anderes Beispiel wäre der jährliche Lehrlingsball der Vorarlberger Industrie. Diese größte Ballveranstaltung des Bundeslandes zeigt die Lehrlinge des Landes in einem ungewöhnlichen Kontext, aber die Berichterstattung kann dafür genutzt werden, positive Stimmung für die Lehre zu machen. Solche Maßnahmen bewirken langfristig mehr als jede Marketingkampagne.

All diese Maßnahmen können insgesamt dazu beitragen, das Bild der Lehre zu verbessern. Wenn es gelingt, in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu gelangen. Und wenn sie nicht regionales Stückwerk bleiben, sondern auf nationaler Ebene funktionieren. Wenn wir es schaffen, positive Assoziationen zur beruflichen Ausbildung zu vermitteln, können wir die Vorbehalte gegen den Begriff "Lehre" umgehen. Und erreichen so auch jene, die diesem Ausbildungsweg kritisch gegenüberstehen. (Robert Frasch, 5.1.2021)