Einem Massentest hat sich im vergangenen Jahr auch das Bildungssystem gestellt. Digitalisierung und E-Learning wurden auf ihre Massentauglichkeit geprüft. Zwar gab es auch schon vor der Corona-Pandemie E-Learning-Angebote und auch viele Bemühungen, die Digitalisierung voranzutreiben, aber gemessen am gesamten Bildungsmarkt fanden diese Angebote und digitalen Veränderungen nur in relativ kleinen Dosen statt.

Mit dem Lockdown im März änderte sich das schlagartig. Innerhalb kürzester Zeit mussten alle Bildungseinrichtungen von der Präsenzlehre zur Distanzlehre wechseln. Die neun bzw. elf Wochen des ersten Lockdowns waren turbulent und herausfordernd. Der Digitalisierungsschub kam unfreiwillig und auch überhastet, zurück zur Vor-Corona-Zeit wird es im Bildungssystem aber nicht mehr gehen. Die Digitalisierung im Bildungssystem ist gekommen, um zu bleiben.

Was bleibt

Wie viel davon nach der Pandemie bleibt, hängt aber auch stark von anderen Faktoren ab. Denn der Schul-Lockdown hat bestehende Schwachstellen noch deutlicher sichtbar gemacht. Das beginnt schon bei der dafür notwendigen Infrastruktur. Noch immer verfügen nicht alle Schulen über leistungsstarke Internetverbindungen. Generell hinke Österreich beim Ausbau der Breitbandinternetanschlüsse im OECD-Vergleich hinterher. Auch bei der Übertragungsgeschwindigkeit ist Österreich abgeschlagen.

Um beim Distance-Learning mitmachen zu können, braucht man nicht nur eine Internetverbindung, sondern auch Endgeräte und das Wissen, wie man diese Geräte und Tools bedient. Auch hier gibt es nach wie vor Handlungsbedarf. Dazu kommt, dass in Österreich der Bildungserfolg sehr stark vererbt wird. Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) habe die Corona-bedingte "Privatisierung" der Lernleistung die soziale Ungleichheit noch weiter verstärkt. Denn: Wie gut Schüler über den Fernunterricht erreicht werden konnten und wie gut sie damit zurechtgekommen sind, war den Befragungsergebnissen zufolge zu einem Gutteil von ihrem sozialen Hintergrund abhängig. Erst wenn es gelingt, diese Schwachstellen auszumerzen, und die Chancen dadurch für alle verbessert werden, ist der Digitalisierungsschub im Bildungssystem auch geglückt.

Erst die passende E-Learning-Lösung kann einen Mehrwert für den Lernenden bringen.
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Dafür braucht es aber auch ein Umdenken der Lehrenden. Ihre Aufgaben verändern sich. Denn das Beherrschen der technischen Tools allein ist zu wenig. E-Learning bietet bekanntlich eine große Bandbreite an Möglichkeiten, erst die passende E-Learning-Lösung kann einen Mehrwert für den Lernenden bringen. Dafür braucht es ausgebildete Mediendidaktiker, die den Lehrenden bei der Gestaltung der Lehrveranstaltung unterstützen und begleiten. Gut gemachte Onlinekurse brauchen eine genauso intensive Vorbereitung und gute Umsetzung wie Präsenzveranstaltungen.

Zwar konnten Bildungseinrichtungen beim zweiten Lockdown im November bereits auf die Erfahrungen aus dem ersten zurückgreifen, und viele Institutionen nutzen mittlerweile nur noch eine gemeinsame Plattform für Streams, Videokonferenzen und Besprechungen. Das ist zwar nutzerfreundlicher, aus didaktischer Sicht ergibt sich aber dadurch für den Lernenden nicht automatisch auch mehr Nutzen.

Was kommt

Für den Lernerfolg wichtig sind aber auch der Austausch der Lernenden untereinander sowie der direkte Kontakt zum Lehrenden. Diese Möglichkeiten sind beim E-Learning nur sehr eingeschränkt gegeben. Außerdem setzt E-Learning sehr stark auf Selbstdisziplin. Störungen und Ablenkungen sind häufiger, als wenn jemand abgeschirmt in einem Seminarraum einen Kurs besucht. Daher könne – darüber sind sich alle Beteiligten einig – Distance-Learning die Präsenzlehre nicht völlig ersetzen, wohl aber verbessern. Auf die richtige Mischung wird es ankommen. (Gudrun Ostermann, 6.1.2021)