Neun Staaten der Welt sind aktuell im Besitz von Atomwaffen. Zusammen verfügen sie nach Schätzungen der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen über etwa 13.400 Sprengköpfe – der absolute Großteil davon gehört den USA und Russland. Etwa 4.000 Sprengköpfe sind jederzeit einsatzbereit, 1.800 davon können ihre Ziele binnen Minuten treffen. Auch wenn die Zahl der Atomwaffen auf unserem Planeten seit dem Kalten Krieg erheblich zurückgegangen ist, bleibt die Möglichkeit eines Atomkriegs jederzeit gegeben. Eine kürzlich veröffentlichte Studie beschäftigt sich mit der Frage, wie die Menschheit die Hungersnöte überstehen könnte, die einer solchen Katastrophe unweigerlich folgen würden.

Schon ein lokaler Atomkrieg hätte globale Folgen: In die Atmosphäre geschleuderte Staub- und Rußpartikel würden die Erde merklich verdunkeln und abkühlen.
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Welche verheerenden Folgen ein Atomkrieg hätte, wurde schon vielfach untersucht. Klar ist: Sie würden weit über Tod, Zerstörung und Verstrahlung in den direkt betroffenen Gebieten hinausgehen. Schon in den 1980er-Jahren legten Atmosphären- und Klimaforscher Modelle vor die zeigten, dass selbst ein lokaler Atomkrieg zu einer mehrjährigen globalen Klimaabkühlung führen würde – mit dramatischen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und damit die Nahrungsmittelproduktion. Der umfangreiche Einsatz von Atomwaffen würde große Mengen an Ruß in die Erdatmosphäre befördern, die sich dort verteilen und das Sonnenlicht rund um den Globus blockieren würden. Über Jahre würde die Temperatur sinken, Niederschläge würden abnehmen, die Erträge Landwirtschaft drastisch einbrechen.

Simulierte Schreckensszenarien

Aber wie betroffen wären die Meere vom nuklearen Winter? Könnte die Menschheit den Nahrungsmittelschwund durch Fischerei kompensieren und so die schwierigen Jahre überdauern? Dieser Frage gingen Forscher um Kim Scherrer von der Autonomen Universität Barcelona nach. Für ihre Studie im Fachblatt PNAS simulierten sie sechs unterschiedliche Atomkriegsszenarien zwischen den USA und Russland bzw. Indien und Pakistan und die Folgen der globalen Abkühlung für die Biomasse der Meere. In ihren Modellen berücksichtigten sie auch, wie sich die plötzlich steigende Nachfrage auf die Fischbestände auswirken würde und welche Effekte unterschiedliche Strategien zum Fischereimanagement vor dem Krieg hätten.

Auch die marinen Ökosysteme hätten unter einem nuklearen Winter zu leiden. Dennoch könnte die Fischerei einen zentralen Beitrag zur Welternährung leisten – wenn sie in guten Zeiten nachhaltig betrieben wird.
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Das Ergebnis: Die Fischbestände würden in den Jahren nach einem atomaren Krieg wie zu erwarten einbrechen, und zwar im schlimmsten Szenario, einem totalen Atomkrieg zwischen den USA und Russland mit tausenden Atombombenexplosionen, um bis zu 30 Prozent. Bei einem lokalen Krieg zwischen Indien und Pakistan, bei dem "nur" einige Hundert Atomwaffen eingesetzt würden, wären es zumindest vier Prozent. Wenn es die Infrastruktur zuließe, könnten die weltweiten Fischereierträge kurzfristig gesteigert werden, um fehlende Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft zu ersetzen. Spätestens ein bis zwei Jahre nach der Katastrophe wären die Einbußen der Fischerei aber unabwendbar. Die entgangenen Landwirtschaftserträge wären damit nur noch zu einem sehr geringen Teil ausgleichbar.

Plädoyer für nachhaltige Fischerei

Die Verluste der marinen Biomasse ließen sich aber deutlich abmildern, schreiben die Autoren: Meeresschutz und nachhaltige Maßnahmen gegen Überfischung in den Jahren vor einem atomaren Krieg würden ein ganz anderes Resultat ergeben. Auf diese Weise könnten über mehrere Jahre hinweg an die 40 Prozent des heute durch die Fleischproduktion gedeckten Proteinbedarfs durch Fisch ersetzt werden. "Ich war überrascht, wie groß der Effekt wäre", sagte Scherrer. Und das wäre nicht nur im Falle verheerender Kriege relevant: "Es ist eine große Herausforderung, die Fischerei nachhaltig zu gestalten, aber unsere Studie zeigt, dass dies neben allen anderen Vorteilen auch dazu beitragen würde, globale Nahrungsmittelkrisen abzumildern." (dare, 9.1.2021)