Die Zukunft der Energieversorgung gehört lokalen Energie-Communitys. Überschüssiger Strom von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach soll am besten gleich vom Nachbarn verbraucht werden können, so ein zentraler Gedanke. Die Idee der dezentralen Versorgung in Minigrids, Energiezellen und anderen Gemeinschaften wird seit Jahren in zahlreichen Projekten erforscht. Man überlegt sich Technologieprototypen, die das Potenzial zur massenhaften Umsetzung haben, versucht von Projekten im EU-Ausland zu lernen und lobbyiert für geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen. Kurz: Wir befinden uns in einem langfristigen Umbauprozess in Richtung einer ökologischeren Energieversorgung.

Ist das die Zukunft der Energieversorgung? Eine lokale Energie-Community könnte Strom nachbarschaftlich verteilen.
Foto: iStock

Dieser Transformationsprozess braucht Idealisten und Pioniere, die nicht darauf warten, bis die großen Spieler am Energiemarkt die Weichen stellen, sondern die die Ausformung künftiger Netze aktiv mitgestalten. Zu diesen Pionieren gehört zweifellos das Start-up eFriends aus dem Weinviertel, dessen Gründer sich schon früh mit der Frage auseinandersetzten, wie man Produzenten und Konsumenten verbinden könnte, um Überschussstrom aus PV-Anlagen zu teilen. Heute überblickt das mittlerweile zwölfköpfige Unternehmen eine Energie-Community mit etwa 600 Mitgliedern, die, ausgestattet mit eigener Hardware, Strom aus Photovoltaik, Biomasse und Kleinwasserkraft automatisch austauschen und abrechnen.

Geschäftsmodellsuche

Die Geschichte der eFriends beginnt 2013. Damals machte die Umstellung der PV-Förderpolitik dem Verein "Energiebündel Weinviertel", der eine Gemeinschaftsanlage auf einer Volksschule plante, einen Strich durch die Rechnung. Vereinsmitglied Matthias Katt, damals Leiter interner Schulungsprogramme beim Technologieriesen Siemens, brachte das gescheiterte Projekt dazu, über E-Sharing nicht in isolierten, von Fördergebern abhängigen Projekten, sondern als marktwirtschaftlich ausgerichtetes Geschäftsmodell nachzudenken. Gemeinsam mit dem Smartmetering-Experten Fritz Dimmel, dem IT-Entwickler Günther Pfannhauser und der Marketing- und Sales-Verantwortlichen Klara Dimmel gründete Katt 2015 das Unternehmen.

Im selben Jahr baute man – etwa mithilfe einer Impulse-XL-Förderung der Förderbank AWS – erste Prototypen der Hardware-Komponenten und begann mit der Entwicklung des virtuellen Marktplatzes. "Wir haben lange gebraucht, um ein marktreifes Modell zu entwickeln und Energieversorger zu werden", resümiert Mitgründerin Klara Dimmel. 2018 war man so weit, dass man die E-Sharing-Plattform in 100 Testhaushalten erproben konnte. Im Jahr darauf half die Puls-4-Sendung 2 Minuten, 2 Millionen dabei, Kunden zu gewinnen.

Im Zählerkasten der Kunden

Basis des E-Sharing-Prinzips von eFriends sind Energiedaten, die direkt im Zählerkasten der Kunden abgegriffen werden. Dabei werde allerdings nicht auf die Smartmeter der Netzbetreiber zurückgegriffen, die lediglich im Viertelstundentakt messen und Daten erst nach Stunden gesammelt übermitteln, erklärt Klara Dimmel. Es werde ein eigener eFriends-Zähler eingebaut, der parallel arbeitet, Erzeugungs- und Verbrauchsdaten im Zehn-Sekunden-Takt – also nahezu in Echtzeit – misst und diese an den "Cube", einen kleinen Computer, schickt. Diese weitere eFriends-Hardware, die auf dem bekannten Bastlercomputer Raspberry Pi basiert, wertet die Daten lokal aus und schickt das Ergebnis an die eFriends-Server, wo eigene Trading-Algorithmen Angebot und Bedarf matchen. Der Strom wird zwar weiterhin ins Netz gespeist und diesem entnommen, die hochgenaue Abrechnung spiegelt aber die tatsächlichen Zeitpunkte von Produktion und Verbrauch wider. Natürlich ist auch Datenschutz ein Thema. Dimmel: "Wir versuchen, keine Datenkrake zu sein."

Die Kunden können das Trading in eigenen Dashboards per App oder Web-Zugang verfolgen. Als Verbraucher kann man hier wählen, von welchen Produzenten man Strom beziehen möchte. Wer hingegen auch eine PV-Anlage hat, kann angeben, zu welchem Tarif er den Strom anbietet. Aktuell liegen die Kilowattstundenpreise der meisten Anbieter zwischen sechs und sieben Cent, was durchaus konkurrenzfähig zu den Preisen großer Anbieter ist.

Nahezu Selbstversorger

Auch ein Null-Cent-Tarif – also Strom zu verschenken – ist möglich. Er werde etwa gewählt, wenn die PV-Anlage auf dem Dach des Elternhauses auch die Wohnungen der Kinder mitversorgen soll oder Energie an karitative Einrichtungen gespendet wird. Für das Spenden wurden erst kürzlich eigene Funktionen in die Plattform integriert. Wer nicht so gerne Energiediagrammen in einer Handyapp folgt, kann auf einer eigenen "Watch" für den Wohnbereich anhand weniger Lichtsignale verfolgen, wie viel Strom gerade von der Community kommt.

Dank dieser Art der Direktvermarktung – die Gründer vergleichen den Energiehandel über ihre Plattform gerne mit dem Ab-Hof-Verkauf landwirtschaftlicher Produkte – können derzeit etwa 70 bis 80 Prozent des Strombedarfs in der Community gedeckt werden. Etwa 60 Prozent der Teilnehmer sind reine Konsumenten, der Rest produziert auch selbst. Geht die Schere aus Produktion und Bedarf in der Gemeinschaft weiter auf, reagiert man etwa, indem ein weiteres Kleinwasserkraftwerk mit an Bord geholt wird. Ein verbleibender Bedarf wird durch zertifizierten Ökostrom abgedeckt, die das Unternehmen direkt von Wasserkraftwerken zukauft – hier tritt das Start-up dann selbst als Energieversorger auf.

Bei eFriends wird zudem versucht, das Geschäftsmodell laufend weiterzuentwickeln. Dazu kooperiert man etwa in FFG-geförderten Projekten mit Forschungspartnern. Und auch Gemeinschaftsprojekte wie die eingangs erwähnte Anlage auf einer Volksschule finden auf der Plattform nun ihre organisatorische Heimat. Eine Reihe von Anlagen, sei es in Weinviertler Dörfern oder bei Wiener Wohnhausanlagen, wurden bereits via eFriends umgesetzt. (Alois Pumhösel, 14.1.2021)