Am Ziel.

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Gerwyn Price ist die Antwort auf all jene, die sagen, Darts sei kein Sport. Der frischgebackene Weltmeister im Präzisionspfeilwurf ist das, was der österreichische Volksmund "Viech" nennt: viel Muskelmasse, wenig Hals. Kein Wunder, der 35-jährige Waliser spielte bis 2014 halbprofessionell Rugby und arbeitete nebenbei als Industrie-Isolierer. Als Darts-Quereinsteiger qualifizierte er sich im ersten Anlauf für die Profi-Tour und brilliert seitdem. "Ich klaue Geld aus den Taschen der Profis", scherzt er.

Price spaltet die Darts-Welt. Nur seine Familie mag den verheirateten Vater zweier Töchter, sagen böse Zungen. 2018 provozierte der "Iceman" in einem wichtigen Finalspiel seinen Gegner Gary Anderson und das Publikum. Er spielte aufreizend langsam und bejubelte Erfolge mit Urschreien. Der Belgier Kim Huybrechts twitterte nach dem Match: "Freue mich, nicht mehr der meistgehasste Spieler zu sein."

Bösewicht

Konflikten war Price nie aus dem Weg gegangen. Bei einer Schlägerei vor einem Pub hatte er 2010 eine Hirnblutung erlitten, seine Wunden mussten mit 47 Stichen genäht werden. An der Darts-Wurflinie mimte er den Bösewicht anfangs mit Genuss: "Wenn sie gegen mich sind, spiele ich besser." Letztlich brach ihn die Ablehnung der Fans fast. "Sie waren gnadenlos. Ich bin eingegangen", gestand Price nach einer Niederlage bei einem Turnier in Dublin. Nach seinem Scheitern bei der EM 2019 in Deutschland dachte er laut über ein Karriereende nach.

Also machte sich Price auf, seinen Ruf zu reparieren – durchaus erfolgreich. Fanliebling wird er wohl nicht mehr, aber der Waliser hat sich mit seiner Konstanz Respekt erspielt. Hollywoodstar Matthew McConaughey ist Prices Edelfan.

Mitleiden

Und am Sonntagabend musste man im WM-Finale fast mit dem Muskelprotz mitleiden. Er war mehrfach Millimeter vom Triumph entfernt, vergeigte aber elf Matchdarts in Serie – obwohl er lange Zeit mehr als 70 Prozent der entscheidenden Würfe auf die Doppelfelder versenkt hatte. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so einen Druck verspürt", sagte Price nach seinem diesmal friedlichen 7:3-Sieg gegen Anderson.

Das Preisgeld von 500.000 Pfund verschafft Price nicht nur den ersten Platz der Weltrangliste, es bringt den Millionär auch seinem Fernziel näher. "Wenn ich jedes Jahr zwei Häuser kaufe, dann ist zu meinem 50. Geburtstag Game over", sagt Price. Dann will er mit seiner Frau Bethan nach Florida oder Australien auswandern. (Martin Schauhuber, 4.1.2020)