Der Verfassungsschutzes lieferte neue Erkenntnisse zur "Querdenker"-Szene, die dafür ausschlaggebend sein könnten, deren Demos zu verbieten.

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Bei den Demonstrationen in mehreren Gemeinden und Städten Österreichs am vergangenen Wochenende hatten die Behörden alle Hände voll zu tun. Einige Teilnehmer wurden nach dem Covid19-Maßnahmengesetz, teils auch nach dem Versammlungsgesetz angezeigt, andere sollten noch ausgeforscht werden – DER STANDARD berichtete. Derweil wird auf Facebook, in Telegram-Chatgruppen und anderen sozialen Medien von sogenannten "Querdenkern", zahlreichen bekannten Rechtsextremen, schon längst die nächste "Großdemo" für den 16. Jänner organisiert.

Doch diese könnte untersagt werden, bevor in den Bundesländern Menschen, die Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus ablehnen, in die dafür gemieteten Busse in Richtung Wiener Heldenplatz steigen. Konkret kündigt das Innenministerium für Donnerstag eine neue Richtlinie an, die es allen Landespolizeidirektionen erleichtern wird, diese Demonstrationen im Vorfeld zu untersagen.

"Notwendigkeit" eines Bürgerkriegs

Ausschlaggebend dafür sind Erkenntnisse aus einem Bericht des Verfassungsschutzes, der dem STANDARD vorliegt. Darin wird unter anderem festgehalten, dass die jüngsten Veröffentlichungen Aufrufe enthalten, "deren verbales Eskalationspotenzial in keinem Verhältnis mehr zum Grundkonflikt zwischen Szeneanhängern und Behörden stehen".

Wörtlich heißt es in dem Bericht weiter: "So wird sogar die Notwendigkeit eines Bürgerkriegs heraufbeschworen, Regierungsmitglieder als Massenmörder verunglimpft und die Protestbewegung als legitime Revolutionsbewegung, die militant gegen ein tyrannisches Regime vorgehen muss, dargestellt. Physische Gewalt bis hin zu Todesdrohungen gegen Politiker, Behörden, Medien und die Polizei wird als notwendig beschrieben." Auch die führende Rolle der rechtsextremen Szene, und zwar seit Beginn der Corona-Leugner-Bewegung, wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) und Innenministerium als Faktum angesehen.

Rechtsextreme Netzwerke

Zur Rolle der Rechtsextremen-Szene schreibt der Verfassungsschutz, dass diese die Szene der Corona-Leugner von Beginn an "als potenzielles Spalt-, Mobilisierungs- und Rekrutierungspotenzial erkannt haben, auch wenn sie den Großteil dieser Anhängerschaft als Idioten sehen. Daher traten rechtsextreme Gruppierungen von Anfang an als offene Förderer und Unterstützer dieser Protestszene auf". Sie würden "Online-Plattformen zur Vernetzung, Organisation von Protesten, Rechtshilfe, befeuernde Kommentare, Videos" anbieten oder "selbst als provozierende Organisatoren von Corona-Kundgebungen" auftreten.

So sei auch das direkte Umfeld "des bekennenden und mehrfach verurteilten Neonazis Gottfried Küssel bei Kundgebungen in Wien, Niederösterreich und zuletzt mehrfach im Burgenland" beteiligt. Auch Martin Sellner von der Identitären Bewegung und einer seiner Mitstreiter in Deutschland ziehen laut BVT im Hintergrund die Fäden. Man arbeite daher ab sofort eng mit den deutschen Behörden zusammen.

Nehammer warnt

"Es kann nicht hingenommen werden, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land von der Verantwortungslosigkeit einiger weniger gefährdet wird", betont dazu Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstag. "Toleranz gehört zu den tragenden Säulen einer demokratischen Gesellschaft. Sie darf aber nicht als Schutzschirm für Radikale und Gegner der Demokratie missbraucht werden." Nehammer habe daher den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit beauftragt, "die angekündigten Versammlungen genau zu prüfen und alle rechtlichen Möglichkeiten für eine Untersagung auszuschöpfen".

Konkret wird von den Organisatoren derzeit dazu aufgerufen, Anschläge auf "Polizeiinspektionen vorzunehmen, Beamten Waffen mit Gewalt zu entwenden, Brandstiftungen am Kanzleramt und anderen Regierungsgebäuden vorzunehmen, Regierungsmitglieder oder den Bundespräsidenten zu Hause zu besuchen oder das Eindringen in das Parlament bzw. dieses anzuzünden", wie das BVT berichtet.

"Rechtsextreme Gruppierungen sind die treibenden Kräfte der Leugner der Corona Pandemie – das ist ein Faktum", betont der Innenminister.

Angriff auf ORF

Auch Angriffe auf den ORF werden gefordert, von dem behauptet wird, er sei das Zentralorgan eines konspirativen Netzwerks. Wie DER STANDARD berichtete, wurde von einem Aktivisten der Szene nach der Demo am Sonntag auch damit gedroht, den Presseausweis samt Adresse eines Fotojournalisten im Netz zu verbreiten. Dieser fühlte sich dabei von der Polizei nicht ausreichend geschützt.

Am Montag riefen auch zwei in der rechten Szene bekannte Männer offen auf Facebook dazu auf, Bundeskanzler Sebastian Kurz nach der für 16. Jänner geplanten Demo in Wien privat heimzusuchen. Einer davon ist Autor bei der rechten Zeitschrift "Wochenblick", die erst kürzlich eine Sonderförderung der Regierung erhalten hat. Zudem hat der Werbeunternehmer für den Bundesvize der FPÖ, Manfred Haimbuchner, Filme gemacht.

Auf seiner Facebook-Seite schreibt der Mann, der in seiner Jugend bei neonazistischen Organisationen aktiv war, dass Kurz die Bevölkerung "illegal daheim einsperren möchte" und man ihm daher einen Besuch abstatten wolle – für nähere Info verweist er auf seinen Telegram-Kanal. Ein andere Proponent der "Querdenker"-Szene lässt sogar die private Wohnadresse des Kanzlers auf seiner Facebook-Seite verbreiten. (Colette M. Schmidt, 5.1.2021)