Gut gekühlt, langsam verimpft: Möglicherweise ist eine dezentrale Impfstrategie bei den empfindlichen Impfstoffen verfehlt.

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Seit Anfang November weiß die österreichische Regierung, dass sie spätestens zu Jahresanfang mit den Impfungen gegen das Coronavirus beginnen kann. Hätte die EU-Arzneimittelagentur EMA die Zulassung beschleunigt, wäre auch ein früherer Impfstart möglich gewesen. So aber hat das langsame Vorgehen der EMA den heimischen Gesundheitsbehörden genügend Zeit für die Vorbereitung einer effizienten Impfkampagne gelassen.

Diese Zeit wurde offenbar vergeudet. Die Impfdosen von Pfizer/Biontech werden zwar angeliefert, aber nicht verimpft, weil das Gesundheitsministerium einen untauglichen Plan ausgearbeitet hat und auch die Länder die Logistik nicht ausreichend vorbereitet haben. Zehntausende alte Menschen, die längst hätten geimpft werden können, müssen weiterhin darauf warten, dass sie vor dem für sie so gefährlichen Virus geschützt werden. Über 80-Jährige, die nicht in Pflegeheimen wohnen, sollen überhaupt erst im März an der Reihe sein und müssen bis dahin in sozialer Isolation und Angst leben. In anderen Staaten können sie auf eine frühere Immunisierung hoffen.

Überfordertes Ministerium

Dass der angeblich so wohlüberlegte Impfstart nun unter öffentlichem Druck hektisch um ein paar Tage vorverlegt wird, zeigt nur, wie dilettantisch hier vorgegangen wird. Jeder Tag Verzögerung kostet dutzende Menschenleben – und wenn sich die neue Virusvariante in den kommenden Wochen so rasch ausbreitet wie in Großbritannien, dann werden es bald noch viel mehr sein. Das ist unentschuldbar.

Hauptschuld trägt ein überfordertes Gesundheitsministerium mit einem Führungspersonal, das auch in seinen öffentlichen Auftritten wenig Vertrauen verbreitet. Rudolf Anschober hat die FPÖ einen Scherbenhaufen hinterlassen; und der Minister hat in seinem ersten Jahr weder die Zeit noch die Kraft und Fähigkeit gehabt, eine funktionierende Struktur zu schaffen. Corona-Sonderbeauftragter Clemens Martin Auer ist fehl am Platz, und ob Katharina Reich als neue Chief Medical Officer das Zeug zur Krisenmanagerin hat, ist ungewiss.

Der grüne Minister wurde auch vom Koalitionspartner hängengelassen. Es war den Türkisen offenbar wichtiger, einen Sündenbock für Fehlentwicklungen zu haben, als das derzeit wichtigste Ministerium genügend zu unterstützen.

Verfehlte Strategie

Man muss sich auch fragen, ob Österreichs dezentrale Impfstrategie nicht zumindest bei den empfindlichen Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna verfehlt ist. Wenn in einem Heim aufgetaute Vakzine übrig bleiben – und damit ist auch wegen der Impfskepsis des Personals stets zu rechnen –, muss schnell jemand gefunden werden, den man impfen kann, egal in welchem Alter. In den großen deutschen Impfzentren wären Menschen aus der richtigen Zielgruppe bereits vor Ort.

Das Versprechen, bis zum Sommer könne jeder Impfwillige geimpft werden, reicht nicht mehr aus. Die neue, ansteckendere Virusvariante ist schneller und könnte uns zu Monaten von harten und vielleicht noch härteren Lockdowns zwingen. Die türkis-grüne Regierung muss die Dramatik der Lage erkennen und mit ihren ewigen politischen Spielchen aufhören. Sie muss mit den besten Experten, den Ländern und der Opposition eine bessere Impfstrategie ausarbeiten und so ihrer wichtigsten Aufgabe gerecht werden: die Menschen in diesem Land zu schützen. (Eric Frey, 6.1.2021)