Facebook hat den Notstand erklärt:

Twitter sperrt Trump-Tweets:

Screenshot: Twitter/Forgo

Youtube löscht (oder sperrt?) (angeblich) ein Video des amtierenden US-Präsidenten, das (unter anderem) auf der Webseite des ORF weiter abrufbar ist.

Die Tragweite des gesamten Geschehens wird von einigen zutreffend erkannt:

Stellen wir uns - einen kurzen Moment lang - vor, Ereignisse wie jene vom Mittwoch fänden irgendwo in Europa statt. Es wäre unmöglich zu beantworten, wie sich US-amerikanische Plattformen schon europarechtlich verhalten sollten (von der politischen oder ethischen Frage rede ich noch gar nicht). Der - vor wenigen Tagen - veröffentlichte Vorschlag eines Digital Services Act enthält (wohl) keine Antworten. Der Vorschlag einer Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte ist (wohl) nicht einschlägig. Die bisher geltende E-Commerce-Richtlinie hilft ebenfalls nicht weiter.

Eine europäische Antwort wäre also, vermutlich, vorläufig und bisher bis auf Weiteres, dass wir leider auch nicht sagen könnten, wie sich die Plattformen verhalten sollen.

Und Österreich?

Stellen wir uns - einen kurzen Moment lang - vor, solche Ereignisse fänden irgendwo in Österreich statt.

In Österreich gibt es neuerdings bekanntlich das "Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen" (in meiner Abkürzung: Kopla-G, so wie "Hoppla"). Seine Verabschiedung war sehr umstritten, es soll dazu führen, dass rechtswidrige Inhalte rasch gelöscht werden.

Bekanntlich müssen nach Kopla-G-Dienstanbieter deshalb dafür sorgen, dass "gemeldete Inhalte, soweit deren Rechtswidrigkeit bereits für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig ist, unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Meldung, entweder entfernt werden oder der Zugang dazu gesperrt" werden (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 Kopla-G)."

Am Mittwoch stürmten Trump-Anhänger das Kapitol in Washington.
Foto: REUTERS/THOMAS P. COSTELLO/USA TODAY

Einschlägige rechtswidrige Inhalte können unter anderem sein: "Beleidigung (§ 115 StGB), Unbefugte Bildaufnahmen (§ 120a StGB), Erpressung (§ 144 StGB), Herabwürdigung religiöser Lehren (§ 188 StGB), [...] Terroristische Vereinigung (§ 278b StGB), Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§ 278f StGB), Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten (§ 282a StGB), Verhetzung (§ 283 StGB), § 3d, § 3g oder § 3h des Verbotsgesetzes" (§ 2 Nr. 8 Kopla-G)."

Wer kann subsumieren?

Ich möchte zwei Fragen stellen:

1. Wäre klar, ob Twitter/Youtube/Facebook ein Video des amtierenden Präsidenten nach österreichischem Recht entfernen dürften/sollten/müssten? Hilft es irgendetwas, dass diese sehr fundamentale Abwägung nun bei Fehlern mit ganz erheblichen Strafdrohungen bedroht ist?

2. Die 24 Stunden wären in dem Moment, in dem ich dies schreibe, noch nicht einmal zur Hälfte vorbei. Wären diese 24 Stunden hier ausreichend kurz?

Wenn diese Krise (Aufstand? Mobmobilisierung? Revolutions[versuch?]) etwas zeigt, dann:

1. Wir müssen sehr viel grundsätzlicher als bisher darüber nachdenken, wie wir Plattformverantwortlichkeit denken und wie fundamental sich (auch) politische Kommunikation (auch) in Krisen bereits geändert hat.

2. Europäische (und erst recht österreichische) Arroganz, man wisse hier, wie man Plattformen an die Leine nehmen könne und man müsse nur endlich das geltende Recht zum Durchbruch bringen, ist nicht angebracht. (Nikolaus Forgó, 7.1.2021)

PS: Am 18. und 19. Jänner findet eine öffentliche, unentgeltliche Tagung zum Thema "Internet-Plattformen für Europa", veranstaltet von (Instituten) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Wien zur weiteren Diskussion statt. (Transparenzhinweis: Ich bin an der Organisation dieser Tagung beteiligt.)

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