Natürlich gibt es auch viele Olympiafans in Tokio, doch die Zahl der Skeptiker wächst.

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Gut sechs Monate vor den ab 23. Juli geplanten Olympischen Spielen in Tokio ist die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Japans Hauptstadt auf einen Rekordwert gestiegen. Erstmals seit Beginn der Pandemie wurden binnen eines Tages mehr als 2000 Fälle registriert, nämlich exakt 2447, wie japanische Medien am Donnerstag berichteten. Erst am Vortag war die Zahl erstmals über 1500 Fälle geklettert.

Japans Premierminister Yoshihide Suga kam nicht umhin, zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres den Ausnahmezustand für den Großraum Tokio auszurufen. 88 Prozent der Krankenhausbetten in der Hauptstadt sind belegt. Die Beschränkungen treten bereits heute, Freitag, in Kraft und sollen zumindest bis 7. Februar andauern. Der Ausnahmezustand betrifft Tokio und die drei angrenzenden Regionen Chiba, Kanagawa und Saitama. Dieses Gebiet zählt fast 37 Millionen Einwohner und sorgt für ein Drittel des japanischen Bruttoinlandsprodukts.

Japan hatte zuletzt im April vergangenen Jahres für Tokio den Ausnahmezustand ausgerufen, der später auf das ganze Land ausgeweitet und Ende Mai wieder aufgehoben worden war. In jüngster Zeit sind die Infektionszahlen jedoch wieder stark gestiegen, vor allem im Großraum Tokio. Es besteht zunehmend Sorge angesichts einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems.

Suga kündigte an, dass der Ausnahmezustand fokussierter als der erste ausfallen wird. So sollen Restaurants und Bars ab 19 Uhr keinen Alkohol mehr ausschenken und um spätestens 20 Uhr schließen. Die Bürger sollen zudem möglichst zu Hause bleiben, vor allem nach 20 Uhr nicht mehr ausgehen.

Sichere Spiele?

Einen harten Lockdown hat es in Japan zu keinem Zeitpunkt gegeben. Rechtlich bindend waren die Aufforderungen der Behörden bisher nicht, stattdessen setzt man auf Freiwilligkeit. Die meisten Bürger des 127-Millionen-Landes tragen zwar Mund-Nasen-Schutz. Doch waren Einkaufszonen im Vorfeld der Neujahrsfeiertage sowie Schreine zu Neujahr überaus gut besucht. Auch die Bars in den Amüsiervierteln von Tokio verzeichneten zuletzt regen Zulauf.

Die Vorbereitungen für die Sommerspiele sollen fortgesetzt werden, hatte Suga zu Wochenbeginn gesagt. Auch IOC-Präsident Thomas Bach versprach der Sportwelt zum Jahreswechsel "sichere Spiele". Das Wording der Verantwortlichen erinnert stark an jenes im Frühjahr 2020. Damals waren die Veranstalter und vor allem die IOC-Oberen heftig dafür kritisiert worden, dass sie lange an der geplanten Olympia-Austragung im Sommer 2020 festgehalten hatten. Seither hat man zwar einerseits – zumindest da und dort – mit der Pandemie umzugehen gelernt. Andererseits hat die sich rasant verbreitende Virusmutation B.1.1.7 zuletzt die Sorge beträchtlich erhöht. Man muss kein Unkenrufer sein, um hinter der Olympia-Austragung wieder ein Fragezeichen zu sehen.

Impfung als "Game-Changer"?

Ob die Corona-Impfung quasi ein "Game-Changer" werden kann, bleibt abzuwarten. Der Kanadier Dick Pound (78), der seit 1978 im IOC sitzt, fordert eine Impfpriorität für AthletInnen. Skeptische Töne dazu hört man etwa in Deutschland, wo Alfons Hörmann, Präsident des Sportbunds (DOSB), festhielt, man wolle sich "nicht vordrängen".

So oder so ist Bach (67) felsenfest überzeugt: "Wir werden unvergessliche Spiele erleben." Der Deutsche sprach den japanischen Organisatoren ein großes Lob aus. Tokio sei nach wie vor "die am besten vorbereitete Olympia-Stadt aller Zeiten".

In der Bevölkerung hält sich die Begeisterung für Olympia in Grenzen – auch weil die Kosten deutlich anstiegen. Der Etat wurde im Dezember mit knapp 13 Milliarden Euro angegeben, allein die Mehrkosten durch die Verschiebung betragen nach Angaben der Organisatoren 2,29 Milliarden Euro.

Damit könnte Tokio die teuersten Sommerspiele aller Zeiten erleben. London 2021 hält die zweifelhafte Bestmarke, diese Spiele kosteten laut einer Studie der Universität Oxford 12,21 Milliarden Euro. (fri, sid, APA, 7.1.2021)