Kann man im Lockdown jemanden kennenlernen? Vielleicht lässt sich Singlefrauen dieser Tage Pauline Harmanges Streitschrift Ich hasse Männer tröstend ans Herz legen. Denn die findet Männer ohnehin grauenhaft. Der Begriff dafür heißt "Misandrie" und umfasst für Harmange ein Spektrum vom "einfachen Misstrauen" bis zu "ausgesprochener Feindseligkeit". Warum das angemessen ist? Weil Männer "gewalttätige, egoistische, faule und feige Wesen" sind, die "uns schlagen, vergewaltigen und töten", so Harmange.

Die 26-jährige Französin trägt in dem kaum 100 Seiten schmalen Bändchen dick auf. Sätze wie diese haben vergangenen August einen Berater des Ministeriums für Gleichstellung auf den Plan gerufen, der den Kleinstverlag, in dem das Buch erschien, aufforderte, es zurückzuziehen. Daraufhin rissen sich alle darum. Ein größerer Verlag musste einspringen, um die Nachfrage zu bewältigen.

Mindestens Mansplainer

Tatsächlich ist Harmanges Argumentation schwer verdaulich. Denn Ausnahmen lässt sie nicht zu. Ihrer Geringschätzung kommt ein Mann auch nicht aus, wenn er sich bisher brav verhält: Alle Männer "entgleisen" früher oder später. Ein schlechter Tag, und er wird mindestens zum Mansplainer. Andere Lösungen als eine grundsätzliche Männerfeindlichkeit gibt es nicht.

Man darf sich Harmange deshalb aber "weder verbittert noch einsam" vorstellen. Denn Männer zu hassen bereite ihr "so viel Freude". Außerdem liebt sie ihren Ehemann. Wie?! Vielleicht, so Harmange, habe sie allerdings nur geheiratet, weil sie als bisexuelle Frau früh mit Homophobie konfrontiert war. Gemeinsam "dekonstruieren" sie nun seine Männlichkeit. Die Fortschritte stellen sie zwar nicht zufrieden, wegen der Mittelmäßigkeit des Mannes sei keine gleichberechtigte Beziehung möglich. Andererseits könne er doch nichts dafür, wurde er ja nicht zu emotionaler Reflexion erzogen.

Starre Schablonen

Das sind die Schablonen, mit denen Harmange ausnahmslos operiert. Vielleicht kommen sie auch daher, dass sich die Bloggerin in einer Hilfsorganisation für von Gewalt betroffenen Frauen engagiert. Ein Satz wie "Es gibt Momente, in denen Verallgemeinerungen keine billigen Vereinfachungen darstellen, sondern schlicht die Realität abbilden" disqualifiziert aber jedes Argument. Der Satz, sie werde Frauen in ihrer Umgebung künftig "glauben, ohne auch nur eine Sekunde am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zu zweifeln", spottet letztlich dem Rechtsstaat. Männliche feministische Mitstreiter? Suspekt, weil sie "wieder mal den ganzen Platz einnehmen"!

Letztlich offenbart Harmange ein seltsam überholt wirkendes Rollenverständnis, etwa wenn sie zu einem anderen Umgang mit weiblicher Wut mahnt: rational streiten statt emotional weinen! Als täte das keine Frau und als wären Männer stets gefasst. Der Rat, wer die "Inkompetenz" der Männer kenne, könne sich im Beruf "trauen, sie zu übertreffen", verfügt wohl über Praxistauglichkeit, zeigt aber auch ein schwaches Frauenbild. Harmange übergeht so Jahrzehnte frauenpolitischer Arbeit und Errungenschaften. Als Beitrag laut, aber zweifelhaft. (Michael Wurmitzer, 12.1.2020)