Der Iran lässt vor den Augen der Weltöffentlichkeit die militärischen Muskeln spielen – und ein Manöver mit Drohnen abhalten. Seit Wochen verstärken die USA am Golf ihre militärische Präsenz.

Foto: EPA / Wana News Agency / Iranian Army

Wenn Joe Biden in Kürze die US-Präsidentschaft übernimmt, hat er das gleiche Problem, das sein Vorvorgänger Barack Obama 2010, im zweiten Jahr seiner ersten Amtszeit, bekam: Der Iran reicherte damals wie heute Uran auf knapp 20 Prozent an. Das ist die unterste Schwelle für niedrig angereichertes Uran (LEU), danach geht es relativ flott hinauf zu waffenfähigem.

Dass das iranische Atomprogramm so weit gediehen war, veranlasste Obama ja, dessen Eindämmung zu einer US-Politikpriorität zu machen. Das führte zum Wiener Atomabkommen von 2015, das die iranische Urananreicherung auf Jahre hinaus bei 3,67 Prozent festnagelte und die Menge von LEU, die der Iran haben darf, begrenzte.

Und dann kam Präsident Donald Trump. Den von ihm versprochenen "besseren Deal", um dessentwillen er das Atomabkommen 2018 verließ, dessen Umsetzung er auch für andere verunmöglichte, gibt es am Ende seiner Präsidentschaft nicht. Dafür aber seit einigen Tagen wieder die iranische Urananreicherung auf 20 Prozent. Angereichert wird in der unterirdischen Anlage in Fordo, mit Anreicherungszentrifugen einer neueren Generation. Allerdings auch unter den Augen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der Teheran den Schritt angekündigt hatte. Sollte die internationale Gemeinschaft die Augen und Ohren der IAEA im Iran verlieren, dann wird es wirklich ernst.

Europäer warnen

Aber der bisher ernsteste Schritt Teherans aus dem JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action), wie der Atomdeal von 2015 heißt, ist es auf alle Fälle. Am Mittwoch gaben die Außenminister der sogenannten E3 – Deutschlands Heiko Maas, Frankreichs Jean-Yves Le Drian und Großbritanniens Dominic Raab – eine scharfe Stellungnahme ab: Der Iran solle die Anreicherung auf 20 Prozent "unverzüglich einstellen" und "sich jeder weiteren Eskalation enthalten". Es gebe keine glaubwürdige zivile Begründung für den Schritt, er sei ein "klarer Verstoß gegen Irans Verpflichtungen aus dem JCPOA".

Es ist nicht zu erwarten, dass sich Teheran davon beeindrucken lässt: Dass es auf eine gewichtige europäische Rolle nicht mehr zählt, zeigte unter anderem vor kurzem die Hinrichtung eines iranischen Journalisten, Ruhollah Zam, der in Frankreich Asylstatus hatte. Ein geplantes europäisch-iranisches Treffen, das die Geschäftsbelebung im Rahmen des JCPOA zum Inhalt haben sollte, wurde daraufhin abgesagt.

Dass Pragmatiker in Irans Regierung mit diesen Entwicklungen keine Freude haben, ist kein Geheimnis: Präsident Hassan Rohani hatte sich sogar geweigert, das aus dem Parlament kommende Gesetz, das die 20-Prozent-Anreicherung anordnete, zu unterschreiben. Sie ist jedoch von ganz oben, dem religiösen Führer Ali Khamenei, gedeckt: Nichts geschieht gegen dessen Willen. Dargestellt wird der Schritt als direkte Antwort auf den tödlichen Anschlag auf den iranischen Atomwissenschafter Mohsen Fakhrizadeh Ende November, mutmaßlich durch Israel.

Der Iran hält im Golf derzeit auch ein südkoreanisches Schiff fest, um Gelder, die in Seoul im Rahmen der US-Sanktionen gegen Teheran eingefroren wurden, loszueisen. Mit der Anhebung der Urananreicherung indes will der Iran wohl die Kosten für seine eventuelle Rückkehr zum JCPOA erhöhen: Biden hat mehrere Male von einer Rückkehr zum Atomdeal, das in seiner Zeit als Vizepräsident verhandelt wurde, gesprochen – allerdings nicht bedingungslos.

Die Anlage in Fordo, in der Anreicherung laut JCPOA prinzipiell untersagt ist, ist durch ihre Lage im Berg besser geschützt als etwa die in Natanz, wo es im vergangenen Sommer zu einem Sabotageakt kam. Für einen Militärschlag auf Fordo brauchte etwa Israel US-Hilfe, sagen Experten.

Machtdemonstration

Aber offenbar rechnete man in Teheran schon vor den Unruhen in Washington am Mittwoch nicht mehr damit, dass Trump die verbleibende Zeit für ein militärisches Vorgehen nützen würde. Wobei noch vor wenigen Tagen US-Verteidigungsminister Christopher Miller die frühere Entscheidung revidierte, den Flugzeugträger Nimitz aus dem Persischen Golf zurückzurufen. Des Weiteren befindet sich das Atom-U-Boot Georgia an der Meerenge von Hormus, zwei B-52-Bomber wurden bereits im Dezember in die Region gesandt.

Trotz einer großen propagandistischen Aufschaukelung verlief am 3. Jänner der Jahrestag der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani und des irakischen Milizenführers Abu Mahdi al-Mohandis in Bagdad und in Teheran ohne Vorfälle, die ein US-Eingreifen gerechtfertigt hätten. Die schwere Beschädigung, die sich Trump am Mittwoch selbst zugefügt hat, macht nun einen "Abschieds"-Militärschlag gegen den Iran noch unwahrscheinlicher – man muss sich wohl auch fragen, wie weit ihm das Pentagon und die Militärs noch in eine mögliche militärische Eskalation zu folgen bereit wären. Aber bei Trump weiß man eben nie. (Gudrun Harrer, 8.1.2021)