Die Trump-Fans, die in den Hallen des Kapitols wüteten, stießen nicht nur Millionen US-Amerikaner vor den Kopf. International wurden die Ereignisse als Angriff auf die Demokratie gewertet.

Foto: AFP / Saul Loeb

Ein gewalttätiger Mob, der die Vertretung des Volkes stürmt; und ein Staatsoberhaupt, das die Menschen zunächst anstachelt und auch nach den Gewaltexzessen noch "liebt": Sollten konkurrierende Mächte im Ausland ein Interesse an instabilen Verhältnissen in den USA haben – der Sturm aufs Kapitol durch Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump würde ihnen ideal in die Karten spielen.

China, dessen Verhältnis zu den USA sich zuletzt spürbar verschlechtert hat, setzt – vor allem im innenpolitischen Interesse – schon seit längerem auf den Systemvergleich: In den Staatsmedien wird regelmäßig über Chaos und Gewalt in den USA berichtet, was auch die vermeintliche Überlegenheit der eigenen Einparteienherrschaft illustrieren soll. Nun ging das Außenministerium in Peking noch einen Schritt weiter und zog Parallelen zwischen den Krawallen in Washington und den jüngsten Protesten von Demokratieaktivisten in der früheren britischen Kronkolonie Hongkong: Diese seien sogar "heftiger" gewesen, trotzdem habe es dort keine Toten gegeben, erklärte eine Sprecherin an Donnerstag. China wünsche den USA jedenfalls Frieden, Stabilität und Sicherheit.

Noch deutlicher wurde die Sprecherin des Außenministeriums in Russland, wo von der heimischen Opposition und auch von ausländischen Politikerinnen und Politikern immer wieder Demokratiedefizite beklagt werden. Sie bezeichnete am Donnerstag laut Angaben der Agentur Interfax das Wahlsystem in den USA als "archaisch". Es entspreche "nicht heutigen demokratischen Standards" und lasse Raum für "zahlreiche Verstöße". Russland jedenfalls wünsche dem amerikanischen Volk, "dass es diesen dramatischen Moment der eigenen Geschichte mit Würde übersteht".

"Bester Freund" Israels

Internationale Reaktionen kamen freilich auch von jenen, die Trump stets sehr nahe standen – und immer noch stehen. So hat etwa Israels Premier Benjamin Netanjahu die Erstürmung des Kongresses in Washington als "schändliche Tat" verurteilt. Gesetzlosigkeit und Gewalt seien das Gegenteil von den Werten, die Amerikaner und Israelis schätzten. "Ich habe keinen Zweifel, dass die amerikanische Demokratie siegen wird – sie hat es immer getan", so Netanjahu vor einem Treffen mit US-Finanzminister Steven Mnuchin in Jerusalem.

Für Trump hatte Netanjahu bei dieser Gelegenheit einmal mehr Lob übrig – vor allem für dessen Nahostpolitik, die unter anderem eine Normalisierung der Beziehungen Israels zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan brachte. Bereits früher hatte er Trump als den "besten Freund" bezeichnet, den Israel im Weißen Haus je hatte.

Netanjahu sieht in Trump auch einen entschlossenen Mitstreiter in der Gegnerschaft zum Iran. Wenig überraschend kamen am Donnerstag auch harsche Reaktionen aus Teheran: "Was da in den USA passiert ist, zeigt auch den beträchtlichen Imageschaden, den dieser Mensch der großen Nation USA zugefügt hat", erklärte der iranische Präsident Hassan Rohani.

Von "erbärmlichen Szenen im US-Kongress" sprach der britische Premier Boris Johnson, der sein Land, sehr zum Gefallen des US-Präsidenten, aus der EU geführt hat und von diesem liebevoll als "Britain Trump" bezeichnet wurde. "Die USA stehen weltweit für Demokratie. Nun ist es von entscheidender Bedeutung, dass es zu einer friedlichen und geordneten Machtübergabe kommt", twitterte Johnson. Es sei "komplett falsch" von Trump gewesen, Zweifel am Wahlergebnis zu sähen und die Menschen zum Sturm auf das Kapitol zu ermutigen, sagte er später zur BBC.

Marine Le Pen "extrem schockiert"

Und nicht nur in Regierungskreisen wurden die Ereignisse in der US-Hauptstadt kommentiert, auch Oppositionskräfte meldeten sich zu Wort. Selbst solche, deren Weltbild sich von Trump und seinen Anhägern sonst ebenfalls eher wenig unterscheidet. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen etwa zeigte sich "extrem schockiert": "Jede Gewalttat, die darauf abzielt, den demokratischen Prozess zu untergraben, ist unzulässig", sagte die Chefin der Rechtsaußenpartei Rassemblement National am Donnerstag dem Sender France 2.

Kurz nach der US-Wahl hatte Le Pen dem Wahlsieger Joe Biden nicht gratuliert, weil sie das "Spiel nicht als abgeschlossen" betrachtete. Inzwischen aber hat sie den Sieg Joe Bidens, der am 20. Jänner die Amtsgeschäfte übernimmt, anerkannt.

Noch in der Nacht hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als einer der ersten Staatschefs dem amerikanischen Volk die Solidarität seines Landes zugesichert. Auch andere Staats- und Regierungschefs in der EU zeigten sich bestürzt. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell sprach von einem "präzedenzlosen Angriff auf die US-Demokratie, ihre Institutionen und den Rechtsstaat".

"Gewalt, Hass und Chaos"

Ähnlich äußerte sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz: Er sei "tief beunruhigt über den Angriff auf die Demokratie." Für Bundespräsident Alexander Van der Bellen war es ein "populistisch angestachelter, demokratieverachtender Angriff auf das Kapitol in Washington". In Letzterem sieht Außenminister Alexander Schallenberg das "Symbol der amerikanischen Demokratie". Es sei "inakzeptabel, dass es von solcher Gewalt, Hass und Chaos völlig missachtet wird". (Gerald Schubert, 7.1.2021)