Ende Dezember richteten Erdbeben in Kroatien schwere Schäden an. Forscher arbeiten an verbesserten Vorhersagesystemen.

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Erdbeben zählen zu den tödlichsten Naturgefahren. Das liegt auch an ihrer Unvorhersagbarkeit. Es gibt jedoch einen Umstand, der den betroffenen Menschen wertvolle Sekunden Vorwarnzeit bietet: Ein Beben sendet unterschiedlich schnelle Wellen aus – und die ersten, die so genannten P-Wellen, sind weitaus weniger zerstörerisch als die danach eintreffenden S-Wellen. Je weiter Gebäude und Infrastruktur vom Epizentrum entfernt sind, desto länger bleibt Zeit, um beispielsweise Gasleitungen zu schließen, die Stromzufuhr abzuschalten, Ampeln vor Brücken auf Rot zu stellen oder Züge zu stoppen.

Traditionelle Methoden der Frühwarnung sind allerdings relativ ungenau oder bieten nur sehr kurze Warnzeiten. Ein internationales Forscherteam hat nun eine ursprünglich aus dem Bereich Textverständnis und automatisierte Übersetzung stammende Methode der Künstlichen Intelligenz, sogenannte Transformer-Netzwerke, an die Analyse seismischer Daten angepasst. Ziel war es, schnellere und oft genauere Vorhersagen der zu erwartenden Erschütterungen in der Nachbarschaft eines Bebens zu erhalten.

Lernender Algorithmus

Die neue Methode wurde mit Datensätzen aus den stark erdbebengefährdeten Ländern Italien und Japan getestet, die beide ein sehr dichtes Netz an Erdbebenstationen haben. Wie bei Machine Learning üblich, wurde das Verfahren an einem Satz von tausenden aufgezeichneten Beben getestet und justiert. Danach gaben die Forscher dem Algorithmus ein weiteres Set von aufgezeichneten Beben, die der Algorithmus noch nicht kannte. In diesen retrospektiven Tests mit tatsächlichen Erdbeben ergab sich eine erhebliche Verbesserung der Warngenauigkeit, wie Jannes Münchmeyer vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) sagte: "Wir erhielten eine höhere Zahl an korrekten und schnellen Warnungen vor stärkeren Erschütterungen als bei den bisherigen Ansätzen."

Ein weiterer Vorteil der neuen Methode sei, dass eine Einschätzung der Genauigkeit der Vorhersage mitberechnet werde, so Frederik Tilmann, ebenfalls vom GFZ: "Damit können Schwellenwerte, ab denen Warnungen erfolgen, an die örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse der Menschen angepasst werden." (red, 19.1.2021)