Die Demokraten habend die Senatswahlen in Georgia gewonnen. Vollständig kontrollieren können sie den Senat trotz ihrer neuerworbenen Mehrheit aber nicht.

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Mit dem überraschenden Sieg bei den beiden Senatswahlen in Georgia haben die Demokraten zwar die Mehrheit im Senat errungen und beherrschen für die nächsten zwei Jahre das Weiße Haus und beide Kammern im Kongress. Aber das bedeutet nicht, dass der zukünftige Präsident Joe Biden tatsächlich seine Pläne ohne größere Widerstände durchsetzen kann.

Es ist für Biden ein großer Vorteil, wenn sein Verbündeter Chuck Schumer Mitch McConnell als Mehrheitsführer im Senat ablöst und dann die politische Tagesordnung bestimmen kann. Aber bei einem Patt von je 50 Sitzen zwischen den beiden Parteien, das erst mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris gebrochen werden kann, müssen die Demokraten auf totale Geschlossenheit zählen. Und die hat in der Partei keine Tradition.

Der Senat ist bei Gesetzesbeschlüssen mit dem Repräsentantenhaus gleichberechtigt. Dazu kommt das Recht, alle Nominierungen in der Regierung, der Verwaltung und der Justiz zu bestätigen und internationale Verträge zu ratifizieren. Das gibt ihm noch mehr Macht.

Joe Manchin, Entscheider

Die zukünftige Schlüsselfigur im Senat wird Joe Manchin sein. Er ist Senator aus West Virginia, wo Donald Trump im November 69 Prozent der Stimmen erhielt. Dass der heute 73-jährige Manchin dort überhaupt gewählt werden kann, hat er seiner Volkstümlichkeit zu verdanken, aber auch seiner in Fragen wie Waffenbesitz und Abtreibung konservativen Einstellung. Manchin hat öfter mit Trump als gegen ihn gestimmt, unter anderem bei der Abstimmung über den umstrittenen Höchstrichter Brett Kavanaugh. Biden braucht Manchin für jede Ernennung von Ministern und Bundesrichtern. Auch beim Klimaschutz wird Manchin wegen der starken Kohleindustrie in West Virginia häufig auf der Bremse stehen.

Neben Manchin hat auch die jüngere Kyrsten Sinema aus Arizona häufig mit den Republikanern gestimmt. Beide sind stets darum bemüht, Allianzen über die Parteigrenzen hinaus zu schmieden, etwa beim jüngsten Konjunkturpaket. Da gelten die Trump-kritischen republikanischen Senatoren Mitt Romney (Utah), Susan Collins (Maine) und Lisa Murkowski als natürliche Verbündete. Angesichts der so knappen Mehrheitsverhältnisse könnte diese zentristische Gruppierung in Zukunft noch selbstbewusster auftreten.

Da Biden selbst moderat ist und bei der Auswahl für sein Kabinett auf allzu progressive Kandidaten verzichtet, wird er diese Besetzungen wohl durchbringen.

Was tun mit dem Filibuster?

Bei den meisten Gesetzen aber braucht es 60 von 100 Senatsstimmen. Dieser "Filibuster" geht auf die Zeit zurück, als Senatoren durch Dauerreden eine Abstimmung verhindern konnten und nur mit großer Mehrheit zum Schweigen gebracht werden konnten. Für Vorhaben wie eine Reform des Gesundheitswesens, eine nachhaltige Klimawende oder eine gerechtere Steuerpolitik würde Biden daher zehn republikanische Stimmen benötigen. Das erscheint derzeit unrealistisch.

Nun ist der Filibuster kein Gesetz, sondern ein Teil der Geschäftsordnung, und könnte mit einfacher Mehrheit beendet werden. Dies ist in der Justiz geschehen, was Trump ermöglicht hat, zahlreiche Bundes- und Höchstrichter in lebenslange Posten zu hieven.

Zahlreiche Demokraten drängen darauf, den Filibuster überhaupt abzuschaffen. Auch ohne ihn besteht im Senat ein demografisches Ungleichgewicht: Jeder Bundesstaat, egal wie groß, entsendet zwei Senatoren. Und da die Republikaner heute fast alle die dünnbesiedelten Staaten dominieren, vertreten ihre 50 Senatoren nur eine Minderheit der Wähler. Dank des Filibuster können die Vertreter von einem Fünftel der US-Bevölkerung die meisten Gesetze blockieren.

Blockadepolitik light

Aber auch viele demokratische Senatoren schrecken davor zurück, diese Tradition zu entsorgen, auch Biden hängt an diesem Konsensprinzip. Manchin hat sich dezidiert für den Filibuster ausgesprochen, und ohne ihn ist keine Abschaffung möglich. Aber auch er könnte seine Meinung ändern, wenn die Republikaner unter McConnell eine Blockadepolitik verfolgen, wie sie es gegenüber Barack Obama taten. Möglich wäre auch eine Senkung der Schwelle oder eine Beschränkung auf gewisse Gesetze.

Auf jedem Fall vom Tisch ist eine Erhöhung der Zahl der Höchstrichter, mit der die Demokraten die konservative Mehrheit im Supreme Court verringern könnten. Das kommt für Manchin nicht infrage. Moderate Juristinnen und Juristen kann Biden auch mit einer knappen Mehrheit durchbringen, etwa einen Nachfolger für Stephen Breyer, mit 82 der Älteste im Höchstgericht. Aber Breyer ist Demokrat, und sein erwarteter Rücktritt wird die Mehrheitsverhältnisse nicht verändern. (Eric Frey, 8.1.2021)