Eine Kuh macht Muh – viele Kühe machen … einen erheblichen Anteil der weltweiten Klimagase aus. Dass man mit dem täglichen Schnitzel dem Klima schadet, ist längst bekannt. Trotzdem steigt der weltweite Fleischkonsum – wohl auch, weil die Auswirkungen von einzelnen Mahlzeiten schwer fassbar sind. Ein einziges Steak schließlich wird sich doch nicht so massiv aufs Klima auswirken. Was also tun, wenn Menschen nicht von sich aus weniger Fleisch essen und man das Schnitzel weder rationieren noch verbieten will?
Für Ökonomen liegt die Antwort auf der Hand: Man muss an der Preisschraube drehen. Denn das, was im Supermarktregal oder auf der Speisekarte ausgeschildert ist, entspricht meist nicht dem, was ein Produkt wirklich kostet.

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Der Wirtschaftsinformatiker Tobias Gaugler und sein Team von der Universität Augsburg beschäftigen sich schon seit Jahren mit "True Cost Accounting" in Bezug auf Lebensmitteln. Ihr Ziel ist es, die Kosten, die ein Produkt verursacht, in Euro auszudrücken.
"Wir haben nicht die Weltformel entdeckt", sagt Gaugler, die Rechnung sei eigentlich sogar recht einfach. Über die CO2-Emissionen verschiedener Lebensmittel gibt es ¬seriöse Quellen, ebenso Empfehlungen, etwa der UN, wie hoch ein CO2-Preis ausfallen müsste. Am Ende steht ein Betrag in Euro, den man den Preisen von Lebensmitteln im Supermarktregal aufschlagen müsste.

Demnach verursacht Milch etwa Umweltkosten in der Höhe von 24 Cent pro Liter, bei Fleisch von Wiederkäuern sind es sogar 6,65 Euro pro Kilogramm – fast doppelt so viel wie der Erzeugerpreis. Kaum Aufschläge gibt es hingegen bei Eiern (21 Cent pro Kilo), Gemüse (1 Cent), Getreide (7 Cent) und Obst (5 Cent).

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Fleisch teurer machen und die Leute zum Gemüseessen motivieren – das mag für viele nach Ökodiktatur klingen. Dabei ist die Einberechnung von sogenannten Schattenkosten etwas Urliberales: "In bestimmten Situationen versagt der Markt einfach, und die Politik muss eingreifen", sagt Gaugler. "Wir sind auf einer Linie mit der ökonomischen Theorie – wenn man sie bloß anwenden würde."

Momentan zahlen alle

Denn die Kosten, die Gaugler und sein Team berechnet haben, entstehen schon jetzt – nur werden sie eben von allen gleichermaßen getragen. Häufen sich durch den Klimawandel etwa Extremwetterereignisse, springt der Staat in der Regel mit Millionenhilfen für Ernteausfälle ein. Auch die Kosten für falsche Düngung kommen letztlich wieder beim Konsumenten an: nämlich auf der höheren Wasserrechnung, wenn Trinkwasser aufwendig von Nitraten gereinigt werden muss.

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Aber wer würde den Aufschlag, würde er Wirklichkeit werden, nun bekommen? Auf keinen Fall der Staat – "der dürfte keinen Cent davon für sich selbst behalten", sagt Gaugler. Die Einnahmen sollten laut ihm einerseits an Landwirte fließen, damit diese nachhaltiger produzieren können – als Alternative zu den EU-Subventionen, die vor allem Quantität belohnen.

"Klimadividende" könnte allen zufließen

Ein Teil könnte außerdem als "Klimadividende" wieder an alle Bürger ausbezahlt werden. Jene, die klimafreundlich kaufen, profitieren. Wer auf großem Fuße lebt, zahlt drauf. Einfacher, als Fleisch, Obst und Gemüse getrennt zu besteuern, wäre aber eine CO2-Abgabe. "Dann würde der Markt das automatisch regeln", so Gaugler.

Käme es tatsächlich zu einem Aufpreis, würden aber auch einfach weniger klimaschädliche Lebensmittel gekauft werden. Verschie¬dene Studien würden zeigen, dass Essen ein sogenanntes "normales Gut" sind – die Nachfrage geht in etwa in dem Maße zurück, wie der Preis steigt.

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Ganz internalisiert, wie es im Ökonomensprech heißt, sind die externen Kosten aber auch in Gauglers Rechnung nicht. Dafür müsste man etwa noch soziale Kosten einberechnen, etwa wenn Feldarbeiter ohne Schutzausrüstung Pestizide versprühen oder Menschen aufgrund falscher Ernährung krank werden.

Alle Auswirkungen in einem Preis zu vereinen sei aber ohnehin nicht Sinn der Studie. Für Gauglers Team geht es auch darum, Transparenz zu schaffen. "Vielleicht reicht es schon, wenn Konsumenten sehen, dass es Alternativen gibt", sagt der Ökonom. Im vergangenen
Jahr hat die Forschungsgruppe in Deutschland mit dem Discounter Penny kooperiert und in einer Filiale ausgewählte Artikel mit einem zweiten Preisschild versehen. Momentan werten die Wissenschafter die Absatzzahlen noch aus, Gaugler geht aber davon aus, dass schon der fiktive Preis einen Einfluss auf das Kaufverhalten hatte – ganz ohne Preiserhöhung. (Philip Pramer, 9.1.2020)