Ein Prozess um das Ende einer Beziehung endet überraschend.

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Wien – "Mir geht es darum, dass meine Kosten minimiert werden. Ich bin alleinerziehender Vater, und es sind 600 Euro im Monat." So geschliffen begründet der Zweitangeklagte Herr H. Junior vor Richterin Magdalena Klestil-Krausam, warum er wollte, dass seine Ex-Partnerin aus der Gemeindewohnung zieht, deren Hauptmieter er ist. Um das Ziel zu erreichen, sollen sich der unbescholtene 22-Jährige und sein Vater, H. Senior, am 18. November illegaler Mittel bedient haben: Das Duo soll der 21-Jährigen gedroht, der Jüngere sie gar körperlich attackiert haben. Was beide ruhig, aber entschieden bestreiten.

Im September trennte sich das junge Paar, H. zog mit der nicht ganz zweijährigen Tochter zurück zu den Eltern über die Donau. "Ausgemacht war, dass sie so innerhalb der nächsten zwei Monate auszieht", schildert der Sohn. Von Verteidiger Stefan Strondl vorgelegter elektronischer Schriftverkehr bestätigt das. "Wie war die Trennung?", fragt die Richterin. "Trennungen sind immer schwer. Aber es ist kein böses Blut entstanden", beschreibt der Zweitangeklagte.

Erster Termin ergebnislos

"Aus dem SMS-Verkehr hatte ich nämlich den Eindruck, als ob die Frau anfangs die Beziehung fortsetzen wollte", meint Klestil-Krausam. "Vielleicht, aber es war beendet." Sohn H. vereinbarte schließlich ein Treffen mit seiner Ex für den 14. November, wo sie ihm den Schlüssel und die Abmeldebestätigung geben sollte. Als er mit seiner Mutter und einer weiteren Verwandten zur vereinbarten Zeit in der Wohnung war, war diese menschenleer. Einige Möbel waren zwar bereits zerlegt und Umzugskartons gepackt, von der Ex-Partnerin fehlte aber jede Spur.

"Haben Sie sie nicht angerufen und gefragt, wo sie bleibt?", wundert sich die Richterin. "Nein, in der Situation wollte ich das nicht. Es war ja unklar, ob sie nicht eh ausgezogen ist, und die Situation vorher war schwierig", entgegnet der Zweitangeklagte.

Vier Tage später kam er mit seinem Vater, dem Erstangeklagten, wieder. Um 6 Uhr Früh. "Sicher, es gibt Frühaufsteher, aber ist das nicht eine ungewöhnliche Zeit?", ist Klestil-Krausam skeptisch. Sie seien im Auto auf dem Weg zur Arbeit gewesen und wollten schauen, ob die Wohnung nun ausgeräumt sei, begründen beide Angeklagte die ungewöhnliche Uhrzeit.

Fremde Männerschuhe im Vorraum

H. Junior sperrte also seine eigene Wohnung auf, zu seiner Überraschung war sie aber voller als beim vorigen Besuch. "Im Vorraum standen Männerschuhe, die nicht mir gehören, im WC brannte Licht", beschreibt er die Szenerie. Als er die Wohnzimmertür öffnete, lag seine Ex-Freundin auf der ausgezogenen Couch. Links und rechts von ihr zwei Männer, die H. flüchtig kannte.

Beide Angeklagten sagen, man habe das Trio aufgeweckt und die beiden Männer aufgefordert, sich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen. Das hätten sie widerspruchslos gemacht. "Haben Sie sie angeschrien?", will die Richterin von Vater H. wissen. "Wir haben laut gesprochen, aber sicher nicht geschrien", sagt dieser.

Er habe sich sogar noch als hilfsbereit erwiesen, als die Mutter seiner Enkelin sagte, sie könne frühestens am Nachmittag ausziehen, da sie kein Kraftfahrzeug zur Verfügung habe. Der Angestellte fragte an seiner Arbeitsstelle nämlich noch, ob jemand ein gutes Umzugsunternehmen kenne, beteuert er. Verwerten konnte er die Informationen nicht mehr: Um elf Uhr rief die Polizei an und eröffnete, dass Frau D. ihn und seinen Sohn wegen gefährlicher Drohung, Nötigung und versuchter Körperverletzung angezeigt habe.

"Das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen"

Nach dem abrupten Aufwecken hatten die Deutsche und einer der bei ihr nächtigenden Männer die Exekutive informiert, dass H. Senior gedroht habe, er organisiere "einen türkischen Schlägertrupp, der dich tot oder lebendig aus der Wohnung holt". Sein Sohn habe die Drohung bekräftigt und sogar mit den Worten "das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen" verstärkt. Zusätzlich habe der Sohn Frau D. am Hals gepackt und gegen eine Tür gedrückt, sagten die beiden. D. erwirkte auch eine einstweilige Verfügung und ein Kontaktverbot gegen ihren Ex-Freund.

"Die wichtigste Frage: Ist Frau D. ausgezogen?", will Klestil-Krausam am Ende der Befragung des Sohnes wissen. "Nein, sie wohnt immer noch dort", lautet die Antwort. Auf Nachfrage von Verteidiger Strondl erfährt man aber, dass eine Lösung in Sicht ist. Tags zuvor wurde vor Gericht vereinbart, dass die 21-Jährige entweder die Hauptmiete übernimmt oder bis zum 7. März auszieht. Auch die einstweilige Verfügung hat sie zurückgezogen.

Der Zeugenauftritt der jungen Frau beschert der Richterin dann eine Premiere. D. erzählt, es seien verschiedene Auszugstermine vereinbart worden. "Der hat sich immer geändert, erst hieß es, ich kann bis zum Jahresende bleiben, dann, ich soll im November ausziehen." Die Wohnungssuche habe sich aber schwierig gestaltet. "Ich konnte mit meiner kleinen Tochter aus einer früheren Beziehung nirgends hin", beschreibt sie ihre Lage. Um dann unvermittelt mitzuteilen: "Ich möchte meine Aussage berichtigen."

Perplexe Richterin

Klestil-Krausam ist so perplex, dass sie zunächst ihr Befragungsprogramm fortsetzt. So erfährt man, dass D. zu ihrem Schutz die beiden Männer, die die Angeklagten gesehen haben, eingeladen hatte, da sie "ein ungutes Gefühl" hatte. Was sie damit konkret meint, kann sie nicht ausführen.

Sie stellt aber klar: "Wirklich gedroht wurde mir damals nicht." – "Was meinen Sie mit ,wirklich gedroht'?", fragt die Richterin. "Die 'türkischen Schlägertrupps' gab es nicht", gibt die Zeugin zu. Ebensowenig wie die Attacke des Ex-Partners. "Warum sagen Sie das bei der Polizei?", ist die Richterin ratlos. "Ich war verzweifelt. Ich wusste nicht, wo ich hin sollte", begründet die Zeugin. Der bewusst ist, dass sie nun einen Prozess wegen falscher Beweisaussage bekommt.

"Seelisches Wrack"

Der Auftritt des zweiten Zeugen demonstriert, warum es durchaus berechtigt ist, dass Zeugen nicht erfahren, was während der Verhandlung in einem Gerichtssaal gesprochen wird. Er gibt zwar auch zu, dass seine Aussage bei der Polizei falsch gewesen sei. Aber: "Der Vater hat das mit dem 'türkischen Schlägertrupp' gesagt", beharrt der 23-Jährige. Als ihn die Richterin darauf hinweist, dass Frau D. das eben bestritten habe, bleibt der Zeuge dabei. "Ich habe das gehört, weiß aber nicht mehr, wann." Auch den Grund für seine Falschaussage liefert er noch: "Sie war nervlich komplett am Ende. Sie ist ein seelisches Wrack gewesen."

Vater und Sohn H. werden natürlich rechtskräftig freigesprochen, der Staatsanwalt beantragt aber mit seinem Rechtsmittelverzicht gleich eine Protokollsabschrift der Verhandlung, um Verfahren gegen D. und ihren Bekannten einleiten zu können. (Michael Möseneder, 10.1.2021)