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Die Forderungen nach einem Impeachment Donald Trump wenige Tage vor den Ende seiner Amtszeit werden immer lauter. Doch die Risken sind nicht zu unterschätzen.

Foto: Reuters / Jeenah Moon

"Unseren schlechtesten Präsidenten" hat Chuck Schumer, der demokratische Minderheitsführer im Senat, Donald Trump am Mittwoch genannt. Ob er recht hatte, ist angesichts von insgesamt 18 Sklavenhaltern, die das Weiße Haus seit 1776 führten, fraglich. Auch Andrew Jackson, Umsetzer des Genozids an der indigenen Bevölkerung, ist ein heißer Kandidat. Unstrittig ist: Einen so schlechten Staatschef haben die Vereinigten Staaten schon lange nicht gesehen. Einen verhinderten Autokraten nennt sein baldiger Nachfolger Joe Biden den amtierenden US-Präsidenten, und das stimmt fraglos. Trump ist ein Unheil für die USA, ihre Demokratie und die Gesellschaft über die Grenzen des Landes hinaus.

Er ermuntert Diktatoren in aller Welt und bestärkt sie in ihrem Tun, ist ein Rassist und Sexist, der sich um demokratische Normen nicht schert, der weder Freund noch Feind schont, wenn es darum geht, sein eigenes Ego zu streicheln, und nach dem die Sintflut so sicher kommt, wie sie ihm egal ist. Er ist ein Mensch, der Reporter mit Behinderung verspottet; der einst enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen pflegte und noch immer dessen Sprache spricht; ein Mensch, der weiße Nationalisten in Charlottesville auch dann noch als "gute Leute" lobte, als einer von ihnen zuvor an einem Mordanschlag beteiligt war; und jemand, der ein Anwachsen der Covid-Toten billigend in Kauf nimmt – Hauptsache, eng gedrängte Massen können bei Wahlveranstaltungen erscheinen, um ihn zu preisen. Kurz: Trump hätte nie Präsident der USA werden dürfen. Und doch wurde er gewählt.

Psychisch amtsunfähig

Die Verlockung ist groß, ihn nun, nach dem versuchten Sturm radikaler Anhänger auf den Sitz des amerikanischen Parlamentarismus, mit einem finalen Fußtritt aus dem Amt zu befördern. Sowohl rechtlich als auch moralisch wäre der Schritt nicht nur gerechtfertigt, sondern längst überfällig. Schon bei seinem ersten Impeachment hatte es ausreichend Gründe gegeben, ihn zu entfernen. Dass das damals nicht geschehen ist, ist jenen Kräften bei den Republikanern zuzuschreiben, die sich mit ihm arrangiert hatten. Jenen Senatoren, die den politischen Nutzen aus Steuersenkungen und Richterbestellungen höher beurteilten als den dauerhaften Schaden, den Trumps Verbleib im Weißen Haus anrichtete. Jenen, deren nun, im Nachgang des Parlamentssturms, entsetzte Bemerkungen nur schwer glaubwürdig sind.

Man muss auch die Einschätzung seiner ehemaligen Mitstreiter ernst nehmen. Jener Ex-Minister, Ex-Zuarbeiter und Ex-Ermächtiger, die nun in Sorge sind. Der Präsident könnte in der psychischen Extremsituation Unüberlegtes und Gefährliches tun, warnen sie. Und sie plädieren daher für seine Absetzung. Sollte sein Kabinett den Präsidenten tatsächlich als gefährlich und geistig untauglich beurteilen, dann ist eine Absetzung unter Berufung auf den 25. Verfassungszusatz ohne Zweifel des probate Mittel. Sie wäre dann natürlich zu begrüßen.

Ein gefährliches Spiel

Ein Impeachment und eine Absetzung durch den Kongress wäre hingegen ein politisch höchst gefährliches Spiel. Trump hat nun auch den letzten Wählern in der politischen Mitte deutlich vor Augen geführt, was es bedeutet, ihn weiter zu unterstützen oder zu tolerieren. Er wird, aller Voraussicht nach, am 20. Jänner in Schande aus dem Amt scheiden. Selbst dann, wenn er die Basis der Republikanischen Partei noch weitgehend kontrolliert: Viele moderate Republikaner lehnen ihn ab.

Darauf sollte der Fokus auch bleiben. Ein Impeachment-Verfahren würde die Fronten zwischen den Parteien wieder verhärten. Es bedeutet das Risiko, jene, die sich soeben von Trump abgewendet haben, wieder in seine Arme zu treiben. Auch wenn die Absetzung noch so gerechtfertigt ist: In den Augen vieler würde ihr der Geruch politischer Rachejustiz anhängen. Nicht zuletzt ist auch die Gefahr neuer Gewalt groß. Anders als der Präsident selbst, anders als viele seiner Mitstreiter, glauben viele Anhänger wirklich die Lüge von der gestohlenen Wahl. Sie fühlen sich tatsächlich betrogen, sie glauben wahrhaftig um die US-Demokratie zu kämpfen. Eine Amtsenthebung ihres Idols wäre für sie die finale Erniedrigung. Sie könnte erst recht zu schlimmeren Taten Anlass geben.

Trump bleibt auch ohne Amt Trump

Zwei weitere Argumente für die Absetzung bleiben bestehen. Das erste: Ein Präsident, der schon einmal zum Sturm auf das Kapitol ermuntert hat, könnte auch vor einem neuen Putschversuch nicht zurückschrecken. Es ist, in Anbetracht der Trump'schen Psyche, nicht von der Hand zu weisen. Dass der Präsident den Umsturz aber über die Regierungsinstrumente versucht, scheint zumindest unwahrscheinlich. Eher denkbar ist, dass er sich dafür wieder der sozialen Medien bedient, seine radikalen Unterstützer über die Accounts seiner Fans zum Umsturz aufruft und bei den TV-Sendern Newsmax und OANN agitiert. Dem ist mit einer Amtsenthebung aber kein Riegel vorgeschoben. Im Gegenteil: Sie könnte ein derartiges Verhalten ermuntern.

Letzter Punkt: In einem Impeachment könnte auch festgelegt werden, dass Trump nicht erneut – etwa 2024 – für ein öffentliches Amt kandidieren darf. Doch führt das wirklich zum gewünschten Ziel? Eher ist anzunehmen: Wenn sich dann trotz allem noch eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dafür gewinnen ließe, für Donald Trump zu stimmen – dann lässt sie sich auch davon überzeugen, für Donald Trumps Sohn "Don" Trump Jr., seine Tochter Ivanka oder einen x-beliebigen anderen Stellvertreter zu votieren, solange der Ex-Präsident mit diesen Kandidaten auf der Bühne steht. Dann wäre den USA so und anders nicht mehr zu helfen. (Manuel Escher, 9.1.2021)