Foto: Faksimile Krone (Foto: APA/ORF)

Regierungsastrologisch leben wir 2021 im Jahr des Gamechangers. Noch ist nicht klar, ob es sich dabei um ein leuchtendes Gestirn oder um ein Schwarzes Loch handelt, und auch aus den neujahrsbedingten Absonderungen der führenden Sterndeuter des Landes ging das nicht eindeutig hervor.

Der Bundespräsident mit Sebastian Kurz als Aszendenten mahnte in seinem Horoskop für die Nation, "jetzt ist die Zeit, in der wir träumen sollten, wie wir unsere Welt verbessern können". Mehr noch, jetzt sei die Zeit, "in der wir weiter blicken müssen – ohne Scheu, auch völlig neu zu denken, ohne Angst, groß zu denken".

Ein gleichzeitiger Versuch des Bundeskanzlers, eine Novelle zum Freitesten von Corona als Traum, wie wir unsere Welt verbessern können, zu verkaufen, scheiterte am Unwillen der Opposition, ohne Scheu völlig neu zu denken.

Van der Bellens Sterndeuterei

Nicht nur sie, auch die Leserschaft der "Kronen Zeitung", sonst stets bereit, gemeinsam mit der Redaktion ohne Angst groß zu denken, wollte der Sterndeuterei Van der Bellens nicht ohne weiteres folgen. Zu den philosophischen Gedanken unseres Staatsoberhauptes die Zukunft betreffend meldete ein Leser aus Lavamünd an: Mut zum Träumen ist zwar schön und erlaubt, aber der Worte sind meiner Meinung nach bereits genug gewechselt. Besser wäre es wohl gewesen, wenn der Bundespräsident die Bevölkerung auf ein herausforderndes Jahr 2021 eingestimmt hätte, um die Menschen zu gemeinsamen Anstrengungen aufzurufen.

Zwiespältig rezensierte ein Traiskirchner, die Neujahrsansprache des Bundespräsidenten war wieder solide und doch mit politischen Ansagen. Das muss man erst unter einen Hut bringen. Und ein Dritter meinte, schön hat er geredet, der Herr Bundespräsident. Seine rosarote (oder dunkelgrüne) Brille muss allerdings schon ziemlich dick sein. Alles soll gut werden ... Und was ist mit den Krawallen in Favoriten? Dem Terror in der Wiener Innenstadt, den Frauenmorden und Messerstechereien etc.? Hier würde ich mir sehr klare Worte erwarten, Herr Oberbefehlshaber! Man versteht die Angst, der Leser stammte aus Annenheim.

Wenn die Sterne da nur nicht lügen

Der Bundeskanzler bekam zum ersten türkis-grünen Geburtstag das erwartete Neujahrsinterview in der "Krone", in dem er sich sein Horoskop gleich selber stellte: "Am meisten motiviert mich, dass wir wissen, dass diese Krise nicht von Dauer sein wird und dass wir im Sommer wieder zur Normalität zurückkehren können. Auf harte Monate werden wieder gute Jahre folgen!"

Wenn seine Sterne da nur nicht lügen. So gut waren die früheren Jahre unter seiner Kanzlerschaft ja nicht, dass man sie in die Zukunft projizieren müsste, nur weil sich das Regierungschaos um die Impferei vielleicht doch einmal in organisiertes Wohlgefallen auflösen könnte. Die sommerliche Normalität wird, Impfstoff hin, Impfstoff her, keine alte sein, zu der das Land sehnsüchtig zurückkehrt, eine, von der wir träumen sollten. Dazu müssten der Kanzler und seine Regierung viel mehr Menschen von dem Segen eines Gamechangers überzeugen als von den Massentests.

Umso verlogener profilieren

Dagegen aber erhebt der vormalige Koalitionspartner Einspruch, weil er böse auf den Koalitionssprenger Kurz ist und überhaupt sich als die letzte verbleibende Stimme für Freiheit und Bürgerrechte in Österreich umso verlogener profilieren will, als diese nicht mehr so stark gefährdet sind wie zur Zeit, in der die FPÖ noch mitregierte. In "Zur Zeit" versteigt sich FP-Generalsekretär Michael Schneditz zu den blumigsten Formulierungen, wenn es um die Freiheit des Österreichers geht. Diese türkis-grüne Regierung ist zu Strippenziehern von Einschränkungen mutiert, werden doch unsere Grundrechte mit Füßen getreten. Womit klar ist, dass unsere Grund- und Freiheitsrechte keinen Cent mehr wert sind.

Da ist, laut Mandatar Hafenecker, einerseits das "System Kurz", welches aus zwei Eckpfeilern besteht: Einerseits aus der Bereitschaft, gegen Spenden an die ÖVP oder an Vereine in ihrem Umfeld Gesetze zu ändern, und andererseits aus der Besetzung von staatlichen bzw. staatsnahen Positionen mit Personen aus Spenderkreisen oder Günstlingen. Wär’s nur das! Eng mit diesem schwarzen Vereinsnetzwerk verbunden ist auch der "tiefe Staat", den die ÖVP schwerpunktmäßig durch die Kontrolle des Finanz-, Justiz- und Innenressorts aufbaut. Die ÖVP ist drauf und dran, sich diese Republik unter den Nagel zu reißen auch ohne den hahnenschwanzlerischen Staatsstreich 1933 antizipieren zu wollen.

Wie sonst kommen wir wieder zurück zur Normalität, wie Kurz sie prophezeit?

(Günter Traxler, 9.1.2021)