Sandro Platzgummer muss sich beweisen.

New York – Während die Football-Saison mit der ersten Playoff-Runde am Wochenende in die Endphase geht, ist sie für Sandro Platzgummer schon vorbei. Seine New York Giants verpassten die Entscheidungsspiele um den Super Bowl mit sechs Siegen und zehn Niederlagen. "Wir haben unsere Chancen gehabt und haben es uns letztlich nicht verdient", sagt der Running Back. Platzgummer kam dank des für Football-Exoten geschaffenen "International Pathway Program" zu den Giants, als Spieler dieses Programms genießt er Sonderstatus. Für ihn gab es einen Extraplatz im Trainingskader seines Teams – allerdings ohne die Möglichkeit, spielen zu dürfen.

Mit dabei

"Ich bin im Grunde ganz normal beim Team, nur am Spieltag bin ich in der Skybox und spiele nicht mit. Man hat die gleichen Meetings und Trainings", erklärt Platzgummer seinen Alltag. "Es ist gut, um sich anzupassen." Das NFL-Geschäft ist gnadenlos, gerade Ergänzungsspieler haben keine Sicherheit. "Ich bin im Trainingscamp gleich einmal geschockt worden", erzählt der 23-Jährige dem STANDARD. "Der andere Running-Back-Rookie, mit dem ich von Anfang an jedes Training gehabt habe, ist hergekommen und hat gesagt, er ist weg. Den werde ich vielleicht nie wiedersehen."

Corona-bedingt war kein Besuch aus der Heimat möglich, das Umfeld bestand also aus Teamkollegen. "Ich war mit ihnen unterwegs, habe Football geschaut – und am Tag darauf ist einer weg", sagt Platzgummer. "Man muss vorsichtig sein, dass man sich nicht zu extrem mit Leuten anfreundet." Das Leben in, respektive nahe New York – die Giants sind eigentlich im benachbarten New Jersey beheimatet – habe er trotzdem genossen, das Pflichtprogramm wurde absolviert: Freiheitsstatue, Wolkenkratzer, Central Park.

Obacht

Die NFL hat strenge Corona-Protokolle, als Spieler des Trainingskaders musste Platzgummer "noch mehr aufpassen" – insbesondere während Auswärtsspiel-Wochenenden. "Man ist dann zwei Tage praktisch allein in New York und hat nicht wirklich was zu tun. Freizeit ist immer gefährlich." Während des Trainingslagers wäre sich eine Ansteckung kaum ausgegangen, da habe er nach Arbeitstagen von sechs Uhr früh bis acht Uhr abends ohnehin nur ins Bett wollen.

Die NFL-Saison ist eine Knochenmühle, die allerwenigsten Teams lassen im Training noch Vollkontakt zu. Auch bei den Giants wird nur einmal pro Woche in voller Montur trainiert. "Man tacklet nie auf den Boden", sagt Platzgummer. Denn: "Sobald jemand auf den Boden fällt, kann etwas passieren." Viele Verletzungen im Football geschehen quasi indirekt – wenn ein 100-Kilo-Mann einem anderen ins voll belastete Standbein stürzt, ist schnell ein Band gerissen.

Aber da Regeln oft dafür da sind, gebrochen zu werden, wurde der Österreicher in einem Training Ende August eher ruppig zu Boden befördert. Laut anwesenden Medienvertretern sprangen ihm sofort mehrere Kollegen zur Seite – Running-Back-Star Saquon Barkley soll der Erste gewesen sein.

Warteschleife

Sich im Training richtig zu beweisen sei laut Platzgummer schwierig: "Ich glaube nicht, dass früher bei den Raiders im Training besonders aufgefallen ist, dass ich einer der besseren Spieler war. Das fällt eher nur beim Spiel auf." Das sagt wohlgemerkt einer, der auf heimischem Rasen oft wie von einem anderen Planeten wirkte.

Umso ärgerlicher, dass die vier üblichen Vorbereitungsspiele heuer Pandemie-bedingt gestrichen wurden. Kommende Saison sollte das wieder anders sein: "Ich muss im Training so konstant sein, dass sie mich in einem Preseason-Spiel reinstellen. Und dann zählt es." Seinen geschützten Sonderplatz könne Platzgummer noch ein bis zwei Jahre behalten, darüber muss das Team aber schon vor Saisonstart entscheiden. "Ich muss sehr gut sein, dass sie mir einen normalen Platz geben und dafür jemand anderen streichen", weiß der einstige Medizinstudent. Im Vergleich mit seinen Positionskollegen fühle er sich "bei vielen Sachen mindestens genauso gut", bei anderen müsse er sich verbessern. Aber: "Ich würde schon sagen, dass ich letztendlich die Möglichkeit habe reinzukommen."

Der Weg des Reinkommens führt für Spieler wie Platzgummer meist über die Special Teams, die Sonderabteilungen, die selten auf dem Platz stehen. In Österreich nahm der damalige Star der Raiders Tirol aufgrund seiner physischen Überlegenheit stets persönlich die Bälle in Empfang. "Jetzt bin ich auf einmal nicht mehr der schnellste im Team und muss auch auf Blocking-Positionen aufzeigen. Es gibt viele kleine Lektionen."

Hat es aber erst einmal für einen "normalen" Vertrag gereicht, kann es schnell gehen: Nach der Verletzung von Jungstar Barkley kamen für die Giants in dieser Saison fünf andere Running Backs zum Einsatz. Das Business hat auch Vorteile. (Martin Schauhuber, 9.1.2021)

Das Interview im Video:

DER STANDARD