Eminenz schon geimpft? Darüber wundert sich im Gastkommentar der frühere ORF-Generalintendant Thaddäus Podgorski. Lesen Sie dazu auch die Replik von Kardinal Schönborn: "Das Dilemma einer Impfung".

Hochverehrter Herr Kardinal, neulich wollte es die Fügung, dass ich Sie wieder einmal im Fernsehen beobachten konnte. Ich muss sagen, Sie haben nichts verlernt. Wie ich weiß, erinnern Sie sich gerne an ein Seminar für angehende Fernsehpriester. Sie waren einer davon, und ich durfte diesen klerikalen Crashkurs leiten. Am Ende dieses Seminars habe ich Euch jungen Burschen einen Merksatz mit ins Leben gegeben: "Wenn Euch nach einer Sendung der Bischof lobt, dann habt Ihr irgendwas falsch gemacht." Eminenz haben damals diesen Satz mit Ihrem wohlwollenden Humor belohnt.

"Das Jahr endet mit einem Silberstreif am Horizont. Die Impfungen beginnen." – Kardinal Christoph Schönborn zu Silvester optimistisch.
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Diesmal haben Sie keinen Fehler gemacht. Sie haben für Ihre Fernsehbotschaft eine frontale Kameraeinstellung gewählt. Eine gefährliche Einstellung, weil der Blick in die Kamera sollte immer auch ein Quäntchen Bescheidenheit transportieren. Eminenz haben das perfekt gemacht. Vielleicht wäre sogar eine Spur weniger Bescheidenheit besser gewesen. Aber lassen wir die Fachsimpelei.

Sie haben uns Schafen als oberster Hirte in all der Frömmigkeit erklärt, warum Sie gegen das St. Coronavirus schon geimpft wurden und neun Millionen noch nicht. Aber Sie haben dankenswerterweise nicht verkündet, dass eben die sogenannten Eliten zuerst in Sicherheit gebracht werden müssen. Weil diese Eliten in der Katastrophe dafür sorgen, dass das Leben weitergeht. Vor allem ihr eigenes. Dass es womöglich so wäre wie im letzten Weltkrieg! Da durften meine Mutter und ich nur in einen Luftschutzraum, wenn die Prominenz schon Platz genommen hatte. Nein, solche Motive wären gewiss nicht gottgefällig.

Vulnerabel und irritiert

"Ihr hohes Alter" (75) und vorausgegangene Erkrankungen machen Sie derart vulnerabel, dass Ihnen diese Impfung sofort zusteht. Das gibt mir Mut, auch ich möchte mich impfen lassen. Schließlich bin ich älter als Eminenz und wurde auch unter großen Schmerzen auf erniedrigende Art und Weise von urologischen Heimsuchungen gequält. Daneben pflege ich noch meine schwerkranke Frau.

Ich rief also die staatliche Impfnummer 0800 55 56 21 an. Der Herr am anderen Ende der Leitung fand die passenden Worte: "Es gibt ka Impfung net. Der Impfstoff is e gestellt, wann er kummt, was i net, vielleicht in 14 Tag."

Jetzt bin ich nicht nur vulnerabel, sondern auch verwirrt. Wenn Sie Eminenz schon vor einigen Tagen geimpft wurden, muss es doch auch einen Impfstoff geben. Könnten Sie mir bitte sagen, wo? Vielleicht hat Ihr Dompfarrer irgendwelche Connections, Sie sind der gute Hirte und ich bin ein gutes Schaf. Ich zahle pünktlich meine Kirchensteuer, weil ich es lächerlich finde, wegen ein paar Silberlingen eine Gemeinschaft zu verlassen, die sich, wie es heißt, im Namen Christi versammelt. Noch dümmer ist es, jemanden aus dieser Gemeinschaft wegen ebendieser Silberlinge auszuschließen. Ich gehe relativ oft in die Kirche. Allerdings zwischen den Gottesdiensten. Die Prediger sind schlecht gecoacht.

Ich kann die achte gregorianische Messe auswendig, ich kann das "Vaterunser" auf Latein – auch das "Ave Maria", ich unterstütze finanziell das Pfarrblatt, und ich kann beten, ohne dass jemand etwas davon merkt.

In diesem Sinne bitte ich Sie: "Zeigen Sie mir das Versteck", ich werde nichts verraten. Dieses Geheimnis nehme ich mit ins Grab. Ich hoffe, Eminenz, keine Fehlbitte getan zu haben, und verabschiede mich mit einem herzhaften "Vergelt’s Gott". (Thaddäus Podgorski, 9.1.2021)