Bekam ein "Sehr Gut" für ihre viel diskutierte Diplomarbeit: Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP).

Foto: APA/Georg Hochmuth

Der Plagiatsjäger Stefan Weber hat Blut geleckt. Nach und nach zerlegt er die wissenschaftlichen Arbeiten von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) in ihre Einzelteile. Mit jeder Passage, die er sich vornimmt, scheint der Druck auf die türkise Politikerin gleichermaßen zuzunehmen.

Denn nicht nur die Diplomarbeit Aschbachers aus dem Jahr 2006 an der Fachhochschule Wiener Neustadt sei eine "wissenschaftliche Katastrophe" und in vielen Fällen abgeschrieben, wie Weber in seinem Blog festhält, sondern offensichtlich auch ihr Dissertationsexposé beziehungsweise ihre Doktoarbeit für die Technische Universität in Bratislava in der Studiensparte Industriemanagement. Ein Fünftel der Dissertation soll Plagiate enthalten, resümiert der Experte.

"Ich werde rollen"

In der Doktorarbeit finden sich zudem sprachlich fehlerhafte Stellen wie diese gleich zu Beginn:

Foto: Dissertationsarbeit Christine Aschbacher

Beziehungsweise später im Text:

Foto: Dissertationsarbeit Christine Aschbacher

Oder diese kuriose Passage:

Foto: Dissertationsarbeit Christine Aschbacher

Angeführt wird auch ein interessantes Zitat:

Foto: Dissertationsarbeit Christine Aschbacher

"Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns", schreibt Aschbacher in ihrer Dissertationsarbeit auf Seite 55. Die Journalistin Corinna Milborn fand das Sprachbild seltsam und fand heraus, dass es offenbar aus einem Artikel des Wirtschaftsmagazins Forbes stammt, der nur in der Fußnote vorkommt, und offenbar zuerst mit Google-Translator übersetzt und dann im Wesentlichen in der Arbeit übernommen wurde. Das führte wohl auch dazu, dass Aschbacher in ihrer Dissertation angibt, für ihre wissenschaftliche Arbeit mit "Hunderten von Teams" zusammengearbeitet zu haben. Der Autor des Forbes-Artikels heißt Robert Tucker und ist Chef einer Consulting-Firma in Kalifornien. Er schrieb: "In my work with hundrets of teams (...)". Aus "work" wurde "Dissertation".

Pikant: Die Doktorarbeit zum Thema "Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen" gab Aschbacher erst Ende Mai 2020 ab, gegenüber der Universität in Bratislava verteidigt wurde das Schriftstück Ende August. Zu diesem Zeitpunkt war Aschbacher schon längst Ministerin und nun gesellt sich zu ihrem weit früher erworbenen Titel Mag. (FH) auch ein PhD.

Aus Sicht des Plagiatsjägers wackeln die beiden Titel der Politikerin. Verliert Aschbacher ihren Magister, "hat sich Frau Aschbacher die Zulassungsvoraussetzung für ein Doktoratsstudium in der Slokawei ebenso erschlichen", heißt es in einem Blogeintrag von Weber.

ZiB2-Anchorman Armin Wolf fiel überdies auf:

"Mir fällt spontan Guttenberg ein"

Nach außen hält sich die türkis-grüne Koalition in dieser Causa noch ziemlich zurück. Die ehemalige Präsidentin der österreichischen Universitätenkonferenz und nunmehrige grüne Wissenschaftssprecherin, Eva Blimlinger, meint auf Twitter, dass nun die Fachhochschule Wiener Neustadt und die Universität in Bratislava die Vorwürfe prüfen müssen. Blimlinger gibt dazu als "Privatperson" keine Meinung ab. Nur so viel: "Auch hier gilt zunächst die Unschuldsvermutung, auch wenn Google übersetzt."

Auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will die Überprüfung der Arbeiten abwarten. Auf die Plagiatsvorwürfe angesprochen, entgegnete Faßmann: "Mir fällt spontan Guttenberg ein, den es ganz hart getroffen hat" Nachdem dem ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) 2011 im Zuge einer Plagiatsaffäre der Doktortitel aberkannt wurde, trat dieser zurück. Die Freiheitlichen fordern Aschbachers Rücktritt. Auch vom SPÖ-Abgeordneten Max Lercher kam Kritik: "So geht es jedenfalls nicht, dass man von den normalen Leuten fordert, immer noch mehr zu leisten und sich dann selber durchschummelt."

Die Leitung der Fachhochschule Wiener Neustadt teilte am Freitag gegenüber dem STANDARD mit, dass die Vorwürfe geprüft werden. In einer ersten Stellungnahme des Arbeitsministeriums am selben Tag hieß es, dass Aschbacher ihre Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 "nach bestem Wissen und Gewissen" erledigt habe und diese mit "Sehr gut" benotet worden sei. (Jan Michael Marchart, 9.1.2021)