Politikerin Aslan steht weiterhin unter Polizeischutz.

Foto: Heribert Corn

Trotz allem, was rund um den Jahreswechsel passiert ist, steht die Grünen-Politikerin Berîvan Aslan weiterhin unter strengem Polizeischutz. Sie ist nach wie vor nicht sicher. Das erfuhr Aslan vergangene Woche bei einem Sicherheitsgespräch mit dem Verfassungsschutz.

Was ist passiert? Im September vergangenen Jahres informierte ein mutmaßlicher Ex-Agent des türkischen Geheimdienstes MIT die österreichische Polizei darüber, den Auftrag erhalten zu haben, auf Aslan einen Anschlag zu verüben. Daraufhin wurde der italienische Staatsbürger mit türkischen Wurzeln in Untersuchungshaft genommen. Drei Tage vor Weihnachten kam er auf Antrag der Staatsanwaltschaft frei. Davor legten die Anwälte Beschwerde gegen die zwischenzeitlich um zwei Monate verlängerte Untersuchungshaft ein.

Am 4. Februar soll gegen den mutmaßlichen Ex-Agenten nun in Wien prozessiert werden. Konkret wegen militärischen Nachrichtendiensts für einen fremden Staat. Doch bevor das alte Jahr endete, wurde der Mann nach Italien abgeschoben. Laut Innenministerium hat er ein unbefristetes Aufenthaltsverbot in Österreich.

Weitere offene Fragen

Offenbar sehen die Sicherheitsbehörden trotz der Tatsache, dass sich der mutmaßliche Ex-Agent nicht mehr in Österreich befindet, weiterhin eine Bedrohungslage. Woraus sich diese Bedrohungslage speist und ob diese Gefahr von Personen ausgeht, die dem türkischen Geheimdienst zuzurechnen sind, und ob sich diese in Österreich befinden, ist unklar. Das Innenministerium gibt dazu keine Auskunft.

Anfang Februar dürfte jedenfalls nur ein Teilaspekt der Causa vor Gericht verhandelt werden. Denn laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft seien noch nicht alle Ermittlungen in dem Zusammenhang abgeschlossen.

Wie das Außenministerium auf STANDARD-Anfrage mitteilt, wurde "der Umgang mit der Abgeordneten (...) Aslan zuletzt im Dezember gegenüber der Türkei deutlich angesprochen. Dabei wurde ganz klar kommuniziert, dass wir jegliche Androhungen von Gewalt und Einschüchterungsversuche gegen Österreicherinnen und Österreicher aufs Schärfste zurückweisen." Man dulde auch nicht, dass Konflikte von außen nach Österreich getragen werden.

Gülen-Prozess

Aslan hofft, dass der Verdächtige im Süden nicht untertaucht. Zuvor war die Untersuchungshaft einmal mit der Begründung verlängert worden, dass Fluchtgefahr bestehe, da der Beschuldigte eigenen Angaben zufolge im "internationalen Kontext ausgezeichnet vernetzt" sei.

Eine Aussage des angeblichen Ex-Agents war wohl ausschlaggebend dafür, dass ein türkischer Verbindungsbeamte des US-Generalkonsulats in Istanbul, Metin Topuz, für neun Jahre im Gefängnis sitzt. Als Kronzeuge warf er Topuz 2017 vor, den Prediger Fethullah Gülen beim Putschversuch 2016 unterstützt zu haben. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation. Laut "ZackZack" gab der mögliche Spion bei seiner Einvernahme gegenüber dem Verfassungsschutz an, zu dieser Falschaussage gegen Topuz gezwungen worden zu sein.

Im vergangenen Jahr tauchte er in Wien dann mit der Kunde an die Polizeibehörden auf, dass er einen Anschlag auf Aslan verüben sollte. Seine Anwälte Veronika Ujvarosi und Daniel Mozga meinen, dass ihr Mandat nie jemand umbringen wollte oder in dahingehende Vorbereitungen involviert gewesen sei.

Nun ist jener Mann – zumindest laut den österreichischen Behörden – wieder in Italien. Der Termin für den Prozess ist im System des Straflandesgerichts in Wien noch eingetragen. Trotz Aufenthaltsverbots lässt sich freilich die Einreise des mutmaßlichen Ex-Agenten erwirken. Ob er noch einmal einen Fuß auf österreichischen Boden setzen wird, wird sich zeigen. (Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, 11.1.2021)