Aschbacher legt ihr Amt als Arbeitsministerin zurück.

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Wien – Familien- und Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) ist nach einer Plagiats-Affäre zurückgetreten. In einer Aussendung beklagte die 37-jährige eine Vorverurteilung durch "die Medien und die politischen Mitstreiter". Ihren Nachfolger als Arbeitsminister will Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag vorstellen. Zuvor waren Vorwürfe laut geworden, dass Aschbacher Teile ihrer 2020 in Bratislava eingereichten Dissertation kopiert hatte, ohne die Quellen ordentlich auszuweisen. All diese Vorwürfe "sind Unterstellungen und weise ich zurück", betonte Aschbacher Samstagabend.

"Zum Schutz meiner Familie"

Sie habe sowohl ihre Dissertation als auch ihre ebenfalls unter Plagiatsverdacht stehende Diplomarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt "nach bestem Wissen und Gewissen" verfasst. Leider habe man ihr ein faires Verfahren der Überprüfung aber nicht zugestanden: "Die Anfeindungen, die politische Aufgeregtheit und die Untergriffe entladen sich leider nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Kinder, und das mit unerträglicher Wucht. Das kann ich zum Schutz meiner Familie nicht weiter zulassen. Aus diesem Grund lege ich mein Amt zurück."

Aschbacher ist nach Grünen-Staatssekretärin Ulrike Lunacek das zweite Mitglied der türkis-grünen Regierung und die erste Ministerin, die – fast auf den Tag genau ein Jahr nach ihrer Angelobung am 7. Jänner 2020 – die Politik verlassen muss.

Plagiatsvorwürfe

Der als "Plagiatsjäger" bekannte Sachverständige Stefan Weber hatte Aschbacher zuvor vorgeworfen, zumindest ein Fünftel des Textes ihrer Dissertation ohne ordentliche Kennzeichnung aus anderen Quellen kopiert zu haben. Die Ministerin hatte die Arbeit im Mai des Vorjahres an der Technischen Universität Bratislava eingereicht. Auch der Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 attestierte Weber "Plagiate, falsche Zitate und mangelnde Deutschkenntnisse". Die Fachhochschule Wiener Neustadt, wo Aschbacher von 2002 bis 2006 studiert hatte, kündigte daraufhin eine Prüfung an.

Für ihre Dissertation unter dem Titel "Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen" hatte Aschbacher unter anderem einen Artikel des Forbes-Magazins aus dem Englischen übersetzt. Darin erklärt der Autor, er habe seine Ideen über den Führungsstil innovativer Unternehmen in seiner Arbeit mit hunderten Teams gewonnen. In ihrer Dissertation führte Aschbacher den Artikel zwar als Referenz an, erweckt aber den Eindruck, sie selbst habe für die Abschlussarbeit "mit Hunderten von Teams" zusammengearbeitet.

Nachfolge aus der Industriellenvereinigung?

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) respektiert den Entschluss seiner Parteikollegin, wie er in einer ersten Reaktion erklärt. Er bedankte sich für Aschbachers Einsatz "im letzten, sehr herausfordernden Jahr". Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) respektiere den Schritt Aschbachers und bedankte sich für die "gute Zusammenarbeit in den letzten Monaten". Ihr Nachfolger in der Funktion als Arbeitsminister werde am Montag präsentiert, sagte Kurz. Ob das bedeutet, dass die Agenden der Familienministerin an eine der verbleibenden ÖVP-Ministerinnen gehen, blieb auf Nachfrage im Kanzleramt offen.

In der steirischen ÖVP hieß es, man gehe natürlich davon aus, wieder zum Zug zu kommen. Diversen Medienberichten zufolge soll der nächste Arbeitsminister aber Helwig Aubauer heißen. Er ist für den Kanzler kein Unbekannter. Der Bereichsleiter für Arbeit und Soziales in der Industriellenvereinigung verhandelte 2017 bei den Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen auf Seiten der ÖVP mit. Zuvor arbeitete Aubauer auch in den Kabinetten der beiden Ex-Minister Martin Bartenstein und Reinhold Mitterlehner (beide ÖVP).

SPÖ: "Logische Konsequenz"

Für SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ist Aschbachers Rücktritt die "logische Konsequenz". Die Kurz-Regierung schlittere von einem Chaos ins andere. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit aufgrund der Corona-Pandemie sei der Zeitpunkt "besonders fatal".

Für FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer ist Aschbachers Entscheidung "zu respektieren. Dennoch ist eine Überprüfung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten durch die zuständigen Hochschulen unumgänglich". Für die Nachbesetzung erwarte er sich nun einen "wirklichen Experten, der innerhalb der Regierung größeres Gewicht hat".

Neos-Generalsekretär Nikola Donig lobte Aschbachers "rasche Konsequenz". Dies sei ein notwendiger Schritt für die Integrität der Politik. Von Kurz erwarte er sich eine rasche Nachbesetzung. (Alle Reaktionen sind ausführlich hier gesammelt)

Akademische Konsequenzen offen

Aschbacher selbst könnte noch ein akademisches Nachspiel erwarten: Unklar ist nämlich, ob ein allfälliges Plagiat überhaupt zu einer Aberkennung eines im Vorjahr in der Slowakei erlangten Doktortitels führen kann. In dem Nachbarland ist die Aberkennung erschwindelter akademischer Grade erst seit heuer und nicht rückwirkend möglich.

Die Slowakische Technische Universität (Slovenská technická univerzita – STU) will die Dissertation Aschbacher jedenfalls prüfen, berichteten slowakische Medien am Samstag. Die wissenschaftliche Arbeit sei mit dem staatlichen Anitplagiat-System überprüft worden, dabei wurde eine Übereinstimmung mit fremden Texten von 1,15 Prozent gefunden, erklärte ein Sprecher der STU. In der Datenbank des staatlichen Systems befinden sich vor allem slowakische Texte aus Lehrbüchern und dem Internet, mit denen Arbeiten verglichen werden. Ausländische und deutsche Texte liegen nur wenige vor. Die STU versprach, Aschbachers Dissertation gründlich zu kontrollieren und über die Ergebnisse zu informieren. (APA, red, 9.1.2021)