Es ist schon der zweite Fall, in dem der Präsident versucht haben soll, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

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Washington – US-Präsident Donald Trump soll einem Medienbericht zufolge in einem weiteren Fall versucht haben, Einfluss auf das Ergebnis der Präsidentenwahl im Staat Georgia zu nehmen. Die "Washington Post" berichtete am Samstag, Trump habe den Chefermittler des für die Wahlen zuständigen Staatssekretärs Brad Raffensperger am 23. Dezember in einem Telefonat aufgefordert, Wahlbetrug zu "finden". Trump habe ihm in Aussicht gestellt, ein "Nationalheld" zu werden.

Raffensperger bestätigte der Zeitung das Telefonat mit dem Chefermittler, sagte aber, er kenne die spezifischen Aussagen Trumps nicht. Er halte es aber für problematisch, dass ein gewählter Politiker sich in eine Untersuchung über Wahlbetrug einschalte. Der Republikaner Trump hatte die Wahl am 3. November gegen den Demokraten Joe Biden verloren. Trump behauptete danach ohne Belege, er sei durch massiven Wahlbetrug in Georgia und anderen US-Staaten um den Sieg gebracht worden.

Zuvor auch Raffensperger angerufen

Trump hatte auch Druck auf Raffensperger selbst ausgeübt, um Bidens knappen Sieg in Georgia bei der Präsidentenwahl nachträglich zu kippen. In einem Telefonat am 2. Jänner forderte Trump den Staatssekretär – der ebenfalls ein Republikaner ist – unverblümt auf, das Ergebnis "nachzuberechnen". Trump sagte laut dem von zahlreichen US-Medien veröffentlichten Mitschnitt des Gesprächs: "Ich will nur 11 780 Stimmen finden (...), weil wir den Staat gewonnen haben." Biden lag nach zwei Neuauszählungen 11.779 Stimmen vor Trump.

Der Kongress hatte das Wahlergebnis in der Nacht auf Donnerstag endgültig zertifiziert und Bidens Sieg offiziell gemacht. Davor hatten am Mittwoch wütende Anhänger Trumps das Kapitol erstürmt, in dem die Abgeordneten und Senatoren tagten. Kritiker werfen Trump vor, den Mob bei einer vorhergehenden Kundgebung angestachelt zu haben.

Seither drängen die US-Demokraten auf eine rasche Entmachtung von Trump. Der demokratische Angeordnete Ted Lieu erklärte auf Twitter, seine Partei werde schon am Montag ein Amtsenthebungsverfahren auf den Weg bringen. Parteikollege James Clyburn rechnet damit, dass der Entwurf am Dienstag oder Mittwoch im Repräsentantenhaus vorgelegt werde. Auch einige Republikaner fordern einen Rücktritt Trumps. Ob sich aber ausreichend Stimmen für eine Amtsenthebung vor dem regulären Ende von Trumps Präsidentschaft am 20. Jänner finden, war ungewiss. Kritiker werfen Trump vor, die jüngsten Ausschreitungen im Parlamentsgebäude befeuert zu haben.

Ursache – Wirkung

"Wir haben Videos der Rede, auf der (Trump) die Menge aufstachelt", schrieb der Demokrat Lieu auf Twitter. "Wir haben Videos davon, wie der Mob das Kapitol gewaltsam angreift." Damit seien die Erfolgschancen für ein Amtsenthebungsverfahren nicht gering. Trump hatte sich zunächst hinter seine Anhänger am Kapitol gestellt, die Gewalt später aber verurteilt. Diese besänftigende Äußerung kam Insidern zufolge unter Druck von Beratern zustande, die Trump vor strafrechtlichen Folgen und einer Amtsenthebung warnten.

Dass der Vorstoß der Demokraten zur Amtsenthebung noch vor Trumps regulärem Abschied Erfolg haben wird, gilt als fraglich. In ein solches Verfahren müsste auch der Senat eingebunden werden, der bisher noch von Trumps Republikanern dominiert wird.

Zumindest vereinzelte Republikaner gaben am Wochenende bekannt, Trump nicht mehr im Amt sehen zu wollen. Senator Pat Toomey aus Pennsylvania sagte zu "CNN", dass es für das Land am besten sei, wenn Trump "so schnell wie möglich" zurücktrete. Auch dessen Partei- und Senatskollegin Lisa Murkowski aus Alaska legte Trump einen Rücktritt nahe. Ben Sasse aus Nebraska erklärte CBS News, ein Impeachmentverfahren wäre "defnitiv überlegenswert".

Pence befürchtet Schlimmeres

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat zudem gefordert, Trump auf Grundlage des 25. Verfassungszusatzes für amtsuntauglich erklären zu lassen und ihm damit die Macht zu entziehen. Das hat nach einem Bericht von CNN sogar Vize-Präsident Mike Pence nicht ausgeschlossen. Unter seinen Beratern waren aber Befürchtungen aufgekommen, dass dies Trump zu noch extremeren Handlungen verleiten und die USA gefährden könnte, sagte eine dem Vize-Präsidenten nahestehende Person laut CNN.

Trump hatte nach dem Sturm aufs Kapitol versöhnlichere Töne angeschlagen und einen geordneten Machtwechsel zugesagt. Später erklärte er allerdings, entgegen der Tradition nicht zur Amtseinführung seines Nachfolgers zu kommen. Dies wird aber Vizepräsident Pence tun, wie ein hochrangiger Regierungsvertreter am Samstag erklärte. Biden hatte signalisiert, dass ihm das Fernbleiben Trumps entgegenkomme. Zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump äußerte sich Biden nicht. Dies sei Sache des Kongresses, erklärte der Demokrat. (APA, Reuters, red, 10.1.2021)