Martin Kocher hat sich ausgiebig mit der Verhaltensökonomie beschäftigt. Jetzt muss er seine Erkenntnisse auf die Tagespolitik anwenden.

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"Ich bin voll motiviert." Wer Martin Kocher kennt, weiß, dass das keine Floskel ist. Als Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien war seine Meinung in der Corona-Krise als die eines der wichtigsten Ökonomen des Landes oft gefragt. Ob es um eine Einschätzung zur Konjunktur oder die Beurteilung wirtschaftspolitischer Maßnahmen ging: Der 47-Jährige, der sich nicht als Workaholic sieht, ist praktisch immer erreichbar.

Mit der Frage, wie wirtschaftliche Entscheidungen bei Menschen zustande kommen, hat sich der gebürtige Salzburger in seiner Forschung ausgiebig beschäftigt und sich auf dem Gebiet der experimentellen Verhaltensökonomie in der internationalen Fachwelt einen Namen gemacht, als er hierzulande noch ein unbeschriebenes Blatt war.

Auch der Einfluss von Zeitdruck auf individuelle Entscheidungen gehörte zu seinen Themen. Gut möglich, dass ihm die Erkenntnisse aus seiner Arbeit auch jetzt geholfen haben. Viel Zeit, darüber nachzudenken, ob er Arbeitsminister werden will, blieb nicht. Ein kurzes Telefonat mit seiner Frau, mit der er in einer "sehr gut funktionierenden Fernbeziehung" lebt, ein paar Stunden darüber schlafen, dann sagte er zu. Zu normalen Zeiten hätte er wohl gesagt, dass sein Job als Leiter des IHS ein sehr schöner sei, gibt Kocher zu Protokoll. Düstere Prognosen gehen davon aus, dass 2024 immer noch mehr Menschen ohne Job sein werden als vor der Corona-Krise. Diesem Horrorszenario will er entgegenarbeiten.

Viel Energie für eine Herkulesaufgabe

An der nötigen Energie für diese Herkulesaufgabe mangelt es wohl nicht. Der Mann läuft Marathon, klettert auf Berge und fährt Ski. Gerne in Altenmarkt im Pongau. Dort, in der Heimat seines Vaters, ist der als Kind zweier Skilehrer Geborene aufgewachsen. Eine typische Landkindheit mit viel Sport. Auf den Skiern stand der Knirps mit drei Jahren.

Zum Studium der Volkswirtschaftslehre zog es ihn nach Innsbruck, wo er seine Frau kennenlernte. Von dort ging es an Unis in Amsterdam, Göteborg, Norwich und an die Ludwig-Maximilians-Universität in München. Auch seit seiner Rückkehr 2016 nach Österreich brachte der sehnige Glatzkopf scheinbar mühelos mehrere Jobs unter einen Hut. Neben der Leitung des IHS lehrt er an der Uni Wien und ist Präsident des Fiskalrats. Nun soll er also als unabhängiger Experte das Arbeitsressort führen. Als "ideologisch unpositioniert" beschreibt sich Kocher. Dass er das zum Vorteil ummünzen wird, ist ihm zuzutrauen. (Regina Bruckner, 10.1.2021)