Der Konservative Borissow will die Wahlen womöglich verschieben.

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Der Machtkampf zwischen dem bulgarischen Präsidenten Rumen Radew und Premier Bojko Borissow spitzt sich vor den geplanten Parlamentswahlen am 28. März wieder einmal zu. Die beiden Politiker sind nicht nur ideologische Gegner – Radew ist Sozialist und Borissow ein Konservativer. Es geht auch um Einflusssphären in Wirtschaftskreisen und schwere wechselseitige Vorwürfe, von Oligarchen abhängig zu sein.

So ließ der umstrittene Generalstaatsanwalt Ivan Gešev, der Borissow nahesteht, den Präsidenten sogar abhören. Dieser wiederum unterstützte die regierungskritischen Demonstrationen vergangenen Sommer, als tausende Bulgaren für mehr Rechtsstaatlichkeit, für die Unabhängigkeit der Justiz und gegen Borissow auf die Straße gingen.

Der Premier scheint nun damit zu spekulieren, die Wahlen zu verschieben – wohl auch, weil die Umfragedaten für seine Partei Gerb nicht so rosig sind und weil er auch ein besseres Abschneiden erhofft, wenn die Pandemie eingedämmt ist. Offiziell argumentiert er mit den organisatorischen Schwierigkeiten und Gesundheitsrisiken, eine Wahl während der Krise abzuhalten. Er stellt sich damit aber auch gegen Radew, der den 28. März als Wahltermin verlautbarte.

Zeit gewinnen

Eines der wichtigsten jüngsten Projekte Borissows war die geplante Verfassungsreform. Damit sollte das Parlament von 240 auf 120 Sitze verkleinert, die Große Nationalversammlung abgeschafft und die Amtszeit von Richtern und Staatsanwälten verringert werden. Der umstrittene Generalstaatsanwalt Gešev hätte allerdings auch mehr Kompetenzen erhalten.

Die Verfassungsexpertin Radosveta Vassileva sieht den Vorschlag des bulgarischen Premiers als einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit und die Grundprinzipien des verfassungsmäßigen Regierens. "Im Wesentlichen versuchte Borissow nur, damit Zeit zu gewinnen und seinen Rücktritt zu verhindern", sagt sie zum STANDARD. Tatsächlich gelang das Ablenkungsmanöver durchaus. Die EU-Kommission empfahl, den Rat der Venedig-Kommission einzuholen. Und diese kritisierte den überhasteten Versuch der bulgarischen Regierung, das Grundgesetz zu modifizieren.

Parteien aus Protestbewegung

"Dem Start der Verfassungsreform ging keine angemessene öffentliche Debatte voraus, der Entwurf wurde innerhalb der parlamentarischen Mehrheit scheinbar ohne externen Input ausgearbeitet, und die Gründe für bestimmte Änderungen wurden nicht gut erläutert", hieß es in dem Bericht der Venedig-Kommission vom November. Mittlerweile hat Borissow auch nichts mehr von möglichen Verfassungsänderungen hören lassen.

Seine Gerb-Partei liegt laut der letzten Umfrage des Instituts Alpha bei 29 Prozent, gefolgt von den Sozialisten mit etwa 26 Prozent. Aber auch einige andere Parteien, die der Protestbewegung nahestehen, haben gute Chancen, ins Parlament einzuziehen. Borrisow gewann die Wahlen 2017 mit über 32 Prozent der Stimmen. (Adelheid Wölfl, 13.1.2021)